Das Pretty-Woman-Syndrom

Die Prostitution in den burmesischen Diskotheken läuft wie in vielen anderen Ländern Südostasiens nicht in der aus dem Westen bekannten lieblosen Art und Weise ab: Nein, es wird sogar Gefühl geboten – zumindest scheinbar. Schon so mancher Ausländer fiel hier dem ‚Pretty-Woman-Syndrom’ (die älteren Leser würden es vermutlich als ‚Suzie-Wong- oder als ‚Sonntags-nie-Syndrom’ bezeichnen, je nach Film) zum Opfer und versuchte, die Mädchen aus dem Milieu zu ‚befreien’. Aber wie heißt es doch so schön: „Du kriegst zwar das Mädchen aus dem Nachtklub raus, aber nicht den Nachtklub aus dem Mädchen!“… Das musste auch mein Kumpel B. erfahren. Er hatte sich unsterblich in ein ‚Model’ aus dem Nightclub verliebt und nahm sie regelmäßig mit zu sich nach Hause. Schließlich bat er sie, den Job aufzugeben und bei ihm einzuziehen. Die Kleine war zwar etwas verwundert, aber sie stimmte zu und machte es sich bei ihm gemütlich. 

Er legte ihr seinen ganzen Monatsverdienst zu Füßen und sagte ihr, dass sie über das Geld nach Gutdünken verfügen könne – was sie auch tat. Während er zur Arbeit ging, langweilte sie sich in dem großen Haus. Damit sie etwas Nützliches tat und auf andere Gedanken kam, meldete er sie zum Englischkurs im British Council an, damit sie sich besser unterhalten konnten und sie auch mit seinen Freunden reden könne. Selbst Burmesisch zu lernen kam ihm natürlich nicht in den Sinn. … Doch als er eines Tages von der Arbeit kam, war sie verschwunden. Er suchte sie überall und wo fand er sie schließlich? Richtig! Im Nightclub, aus dem er sie befreien hatte wollen! Endlich konnte sie wieder Spaß haben und ihrem langweiligen Leben entfliehen. Die Kleine lebte richtig auf, wie ich eines Tages selbst erleben durfte … B. hingegen war fertig: Er hatte es doch so gut gemeint und so eine schöne Zukunft geplant!

Nachdem er sich von seiner Enttäuschung erholt hatte, schwor er sich, es das nächste Mal besser zu machen. Das Mädchen war zwar Model, aber im Grunde genommen doch nur eine wertlose Prostituierte gewesen. Nicht viel später lernte er ein anderes Mädchen kennen: Diesmal eine Tänzerin! Ihre fließenden Bewegungen, ihr biegsamer Körper, ihre fliegenden Haare – alles faszinierte ihn. Er fasste sich ein Herz und sprach sie an. Sie ließ ihn jedoch abblitzen: Sie sei nicht so ein Mädchen, sie sei eine Tänzerin, um nicht zu sagen: Künstlerin! Aber er blieb hartnäckig und erreichte schließlich sein Ziel – sie zog bei ihm ein und tanzte nur noch für ihn! Meist auf seiner Nase herum! Diesmal mache ich Nägel mit Köpfen, schwor er sich – und machte ihr einen Heiratsantrag. Nach kurzem Zögern nahm sie ihn an und er stürzte sich in die Vorbereitungen. In einem großen Hotel wurde ein Saal gemietet, das Hochzeitskleid wurde ausgesucht, das Essen bestellt – eine richtig kostspielige Angelegenheit! Zwei Tage vor dem großen Ereignis eröffnete sie ihm, dass sie neben ihm noch einen anderen ausländischen Freund habe. Der Bräutigam in spe war schockiert, aber bereit zu verzeihen: Sie müsse ihm jedoch hoch und heilig versprechen, diese Sache sofort zu beenden. Doch er hatte sie nicht richtig verstanden: Sie wollte lieber bei ihrem anderen Boyfriend bleiben und so platzte auch diese Sache. Wurde er daraus klug? Dreimal dürft Ihr raten!

 

Mir selbst ging es nicht besser! Ich hatte ein gewisses Frl. Edelstein im Nightclub BME 2 kennen gelernt. Sie war natürlich gaaanz anders als die üblichen Nutten. Nach kurzer Zeit flehte sie mich weinend an: „Hol’ mich raus aus dieser Hölle! Ich liebe Dich!“. Prompt erwacht in mir der edle Ritter und ich verliebe mich doch tatsächlich  heftig in sie. Schließlich darf sie sogar zu mir nach Hause kommen. Und was ist das Resultat? So bald sie merkt, dass sie mich an der Angel hat, kommen die finanziellen Forderungen („You don’t want me to go back to the nightclub and fuck with other foreigners, don’t you?“). Natürlich will ich das nicht – und zahle brav! Irgendwann einigen wir uns darauf, dass sie für einige Zeit zu ihrer Mutter nach Mandalay zieht, damit sie aus dem Milieu raus kommt, denn sie will abends immer mit mir ausgehen – natürlich in den Nightclub, die Hölle, aus der ich sie befreit hatte … In der Nacht vor ihrer Abreise (der Bus geht früh am Morgen) 

zelebrieren wir ausgiebig den Abschied und schwören uns, dass bald alles wieder gut wird und sie als good girl zurückkommt. Am nächsten Tag ruft sie mich auch gleich aus einem Restaurant an der Ecke in ‚Mandalay’ an und erzählt mir, wie sehr sich ihre Mutter freut, dass sie jetzt wieder daheim ist. Aber irgendwas kommt mir nicht ganz geheuer vor und so rufe ich die Nummer zurück. Aber dort weiß keiner etwas von einem Mädchen, das gerade telefoniert hat. So gehe ich zwei Tage später unter dem Vorwand, etwas abholen zu wollen in ihre alte Wohnung, die auch weiterhin von ihren Freundinnen bewohnt wird. Als ich schon im Gehen begriffen bin, frage ich, ob ich mal kurz aufs Klo darf – und bin auch schon an der Klotür. Und wer hockt da vor mir auf dem Klo? Richtig! Das Mädchen, das ich retten wollte! Wir lachen alle von ganzem Herzen und seither glaube ich nicht mehr daran, dass man Mädchen aus einem Nightclub retten sollte.