Gesundheit & Vorsorge

University for Nursing, Yangon

Burmesen leben im Hier und Jetzt. Vorsorge ist ihnen eher unbekannt. So gab es hierzulande bis vor Kurzem keine Krankenversicherung. Und auch keine Altersversicherung, wenn man einmal von den Staatsdienern absieht. Angesichts der Tatsache, dass während der ‚sozialistischen Zeit‚ fast alles verstaatlicht war, gibt es eine ganze Menge davon. Früher bekamen sie  eine Pension, die oft nur für eine Tasse Tee reichte. Inzwischen wurden die Zahlungen so weit angepasst, dass man zwar noch nicht davon leben kann, aber es immerhin ein Zubrot darstellt (40 % des letzten Gehaltes). Der Mindestbetrag für eine Pension beträgt 70.000 Kyat/monatlich. Mein Schwiegervater bekommt 90.000, der Vater einer Freundin (war Arzt) sogar 200.000. Darüber hinaus erhalten Menschen, die über 80 sind, alle drei Monate 30.000 Kyat. Leute, die nicht im Staatsdienst tätig sind, zahlen oft in einen Sparplan ein, ähnlich der Lebensversicherung in Deutschland.    

Das mag für uns bedauernswert und ungewöhnlich klingen: Natürlich hätten auch Burmesen gern eine Krankenversicherung. Aber wenn sie denn jeden Monat darin einzahlen müssten, würden sich wohl die meisten fragen: „Wieso soll ich für etwas bezahlen, von dem ich gar nicht weiß, ob es jemals eintritt?“. Was ja bei der Krankenversicherung der Fall ist. Manch einer geht oft zum Arzt, andere dagegen nur im Notfall. Wobei ja zumindest in Deutschland viele ihren Medikus aufsuchen, weil es nichts kostet. In Myanmar konsultiert man – vor allem auf dem Land – im Falle eines Falles erst einmal den Hse Hsaya, den Heiler. Der versucht es mit Volksmedizin und hat zudem noch den unschlagbaren Vorteil, sehr preiswert zu sein. Wenn das nicht hilft, geht man schweren Herzens zum Arzt.

 

Yangon General Hospital

Wenn ich es recht verstehe, gibt es im Lande eine Gesundheitsversorgung nach dem Vorbild des britischen National Health Service: Zumindest die Behandlung in Krankenhäusern ist kostenlos. Dafür wird aber nicht viel mehr als ein Bett geboten: Bis vor einiger Zeit musste der Patient die Medikamente selbst bezahlen. Seit Kurzem gibt es dafür Zuschüsse in Höhe von 50 bis 90 %. Arme Leute (von denen es in Myanmar viele gibt) erhalten alle Medikamente kostenlos. Es kann jedoch nicht schaden, dem Arzt und der Krankenschwester zwecks Motivierung etwas zuzustecken. So kommt es, dass viele Kranke sich nicht allein ins Krankenhaus begeben, sondern Verwandte mitbringen, die sie betreuen. Die schlafen in der Regel auf dem Fußboden vor dem Bett! Manchmal nimmt das dann besorgniserregende Formen an: Die Tochter meines Hausmädchens wurde einmal krank und in eine Klinik eingewiesen. Als Betreuer kam der Großvater mit, der sich um sie kümmerte. Wie überrascht war ich, als ich hörte, dass das kranke Mädchen nachts auf dem Fußboden schlief und Opa im Krankenbett!

Anade, wie es im Buche steht. Anhand des Beispiels der Familie meines früheren Hausmädchens kann man sehen, wie die Altersversorgung armer Leute funktioniert. Die Eltern sind Reisbauern im Ayeyarwady-Delta. Fünf der sechs Kinder sind nach Yangon gezogen, wo sie Arbeit gefunden haben. Nur die jüngste Tochter muss daheim bleiben und sich um die Eltern kümmern. In regelmäßigen Abständen machen Vater oder Mutter ihre Runde bei allen Kindern und kassieren ab: Altersversorgung, Myanmar Style! Die Eltern meiner Frau haben drei Töchter, die alle verheiratet sind. Sie geben jeden Monat einen Betrag an sie ab, der ihnen zum Leben reicht. Eine der Töchter lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern bei der Mutter. Die besitzt eine Eigentumswohnung, in der sechs Personen auf 70 qm wohnen! Die Familie zählt nach meiner Einschätzung zum Mittelstand.   

Alle Angaben über Pensionen und Krankenhauskosten beruhen auf Informationen von Freunden und Bekannten. Und Verwandten. 

Die Punhlaing Clinic in Yangon

Angesichts der überfüllten und für ihren schlechten Service berüchtigten öffentlichen Krankenhäuser kann es nicht verwundern, dass allerorten private Kliniken aus dem Boden schießen.  Sie bieten oftmals erheblich bessere Leistungen an als die staatlichen Einrichtungen. Manchmal arbeiten sogar ausländische Ärzte dort, die bei den Patienten besonders gefragt sind. Natürlich gibt es da nichts umsonst – alle Leistungen müssen mit barer Münze bezahlt werden. Die nicht jeder hat. Insofern sind die Privatkliniken den Wohlhabenden unter den Burmesen vorbehalten. Diese Institutionen nehmen jedoch nicht jeden auf. Das musste ein Bekannter von mir vermutlich mit dem Leben bezahlen. Nach einem Schlaganfall, bei dem er sich auch am Kopf verletzte, brachte ihn sein Fahrer in die nächstgelegene Privatklinik. Dort wies man den Schwerkranken jedoch ab: Womöglich sterbender Ausländer? Nein, danke! Das gibt nur Scherereien! Auch bei den nächsten zwei Privatkliniken hatte er Pech. Schließlich wurde er im Yangoner General Hospital aufgenommen, wo er nach einer Notoperation verstarb.

 

Thailand hat den Ruf, eine ausgezeichnete medizinische Infrastruktur zu besitzen, obwohl seine Ärztedichte unter der Myanmars liegt (s. u.). Vor allem in Bangkok hat sich ein internationaler Medizintourismus etabliert. Wohlhabende Kranke aus ganz Asien lassen sich in der Metropole des Landes in teuren Privatkliniken behandeln. Vermutlich haben die dort tätigen hübschen Krankenschwestern nicht wenig zu diesem Erfolg beigetragen. Etliche Thai-Kliniken haben in Myanmar (vor allem in Yangon) Dependancen eingerichtet. Diese behandeln sowohl ganz alltägliche als auch schwere Fälle – die nach Thailand geschickt werden.      

Die Ärztedichte in Myanmar ist vergleichsweise gering: 0.86 pro tausend Einwohner. In Deutschland sind es mehr als viermal so viele. Womit die Bundesrepublik weltweit im oberen Drittel rangiert. Wenn ich recht informiert bin, bezahlt die Regierung Myanmars angehenden Ärzten die Ausbildung, falls sie es sich nicht selbst leisten können. Allerdings müssen die sich dann verpflichten, eine ziemlich lange Zeit dort zu arbeiten, wo sie hinschickt werden. 

Das sind oft abgelegene Gebiete, in denen die medizinische Versorgung sehr zu wünschen übrig lässt. Denn in Myanmar ist es nicht anders als in Deutschland: Die Ärzte arbeiten lieber in der Großstadt als auf dem flachen Lande. Auch die staatlich angestellten Mediziner haben jedoch die Möglichkeit, neben ihrer Haupttätigkeit noch nebenberuflich tätig zu sein. Der Arztberuf ist dementsprechend sehr beliebt und die meisten Abiturienten, die die erforderliche Punktzahl erreicht haben, wollen Medizin studieren. Die burmesische Armee hat ihre eigenen Universitäten, die einen guten Ruf besitzen. Allerdings will nicht jeder angehende Medikus seinem Beruf bei den Streitkräften nachgehen.           

Nach meinem persönlichen Eindruck geht man in Myanmar mit dem Tod unbefangener um als im Westen. Er wird nicht als Niederlage der Medizin begriffen, sondern als das natürliche Ende des Lebens. Buddhistischer Auffassung zufolge stehen Zeitpunkt und Ursache des Todes bereits bei der Geburt fest (karmische Bestimmung). Das macht es den Burmesen anscheinend leichter, damit umzugehen.