Korruption!

Sich von beiden Seiten bestechen lassen - das geht gaaaar nicht!

Myanmar galt lange Zeit als eines der korruptesten Länder der Welt. Meist lag es unter den bottom 3 der Rangliste von Transparency International (TI). Seit der Demokratisierung des Landes im Jahre 2010 hat es sich auf der Rangliste nach oben gearbeitet – wenn auch nur sehr langsam. Ich kenne die Kriterien nicht, nach denen diese Organisation ihre Rangliste erstellt. Die Höhe der Beträge kann es wohl nicht sein, denn dazu gibt es in Myanmar nicht genug zu verdienen, verglichen mit Ländern wie China z. B. Ich kann mich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass hier auch politische Ambitionen im Spiel sind bzw. waren. Derek TOMLIN (Corruption index: an exercise in futility) spricht das Thema in der Myanmar Times (Dezember 2012) ebenfalls an und kommt zu dem Schluss: This ranking is based on Transparency International perceptions, which are not in my view shared by specialists who are at the forefront of political and economic analysis…. My own advice will be that investors should not take the TI ranking seriously.

Mir scheint, dass auch hier wieder das bekannte Problem zutage tritt, bei der unsere Maßstäbe an eine Kultur angelegt werden, die nach ganz anderen funktioniert. Vielleicht bin ich schon zu lange aus Deutschland weg oder ich bin grundsätzlich ‚korrupt‘ eingestellt. Wenn ich z. B. lese, dass der deutsche Bundespräsident wegen ‚Vorteilsnahme im Amt‘ vor Gericht steht und es um einen Betrag von 800 Euro geht, dann frage ich mich, ob da nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Und das war kein Einzelfall: Ich erinnere an den Fall Lothar Späth und andere. Ich kann mich oft nicht des Eindrucks erwehren, dass hier auch Neid gegen die ‚großen Tiere‘ im Spiel ist. Wenn selbst das Verschenken eines Kugelschreibers schon im Geruch der Korruption steht, dann stimmt doch etwas nicht: Vielleicht sollte man in der westlichen Welt auch einmal die eigenen Maßstäbe überprüfen, statt das immer nur von anderen zu verlangen. 

So etwas ist einem Burmesen nicht zu vermitteln – und nicht nur diesem, denke ich. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, lautet hierzulande die Devise oder auch: Eine Hand wäscht die andere … Ich persönlich habe nie das Gefühl gehabt, in einem besonders korrupten System zu leben: Niemand hat je direkt von mir Geld verlangt – mag jedoch sein, dass ich als Ausländer einen Sonderstatus genieße. Natürlich kann es nicht schaden, wenn man Beamten ein kleines Geschenk mitbringt. Das tut man hier aber auch, wenn man jemandem einen Besuch abstattet – es gehört einfach zum guten Ton. Oder wer würde schon übel nehmen, wenn er genötigt wird, einen Kalender zu kaufen, der ein paar Kyat kostet (s. u.). Auch tea money wird oft gezahlt – aber bitte, das sind in der Regel Peanuts. Natürlich steigen die Beträge mit der Wichtigkeit der Anliegen. Mein langjähriger Vermieter verdiente als hoher Angestellter bei den Wasserwerken Yangon sicher nicht schlecht: Aber für den Bau von drei stattlichen Häusern hat das Gehalt bestimmt nicht gereicht.

Doch wie kam der Mann nun trotzdem zu seinem relativen Reichtum? Ich stelle mir das in etwa so vor:  Jemand kommt zu ihm und bittet um Anschluss an das städtische Wasserversorgungsnetz. Gar kein Problem, wird ihm versichert, schon in drei Jahren kann das erledigt werden! Na ja, vielen Dank, aber das Haus ist ja doch fast fertig und vermietet. Ja, das tut ihm natürlich leid, aber Vorschrift ist Vorschrift. Und dann geht das Geld über den Tisch – oder besser darunter hinweg. Aber vielleicht tue ich dem Mann ja auch unrecht. 

Selbstredend gibt es auch in Myanmar Regeln für Geschäfte – und für ‚ordnungsgemäße‘ Bestechung! Bezeichnend dafür scheint mir ein Beispiel aus den ‚Sechzehn Träumen des Königs von Koshala‘, die seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, eine wichtige Leitlinie für Verhalten der Menschen darstellen. Darstellungen dieser Träume sind auf vielen Tempeln zu sehen. Der König träumte von einem Pferd mit zwei Köpfen (siehe Bild oben), das von zwei Männern gleichzeitig gefüttert wird. Die Erklärung folgt im nächsten Bild: Man sieht einen Mann (Beamter?), der von zwei Personen gleichzeitig Bestechungsgeld kassiert – das geht natürlich nicht: Man darf sich nur von einer Seite bestechen lassen! Ordnung muss schließlich sein. So deute ich das zumindest. Ich habe bei meinen burmesischen Freunden nicht selten ein gewisses Verständnis für das Zahlen von Bestechungsgeldern gefunden: Schließlich verdienten die Polizisten so wenig, da sei es doch völlig o. k., wenn sie ihr mageres Einkommen etwas aufbessern. Bei den Lehrern ist es ähnlich, nur dass die sich nicht durch ‚Wegelagerei‘ bereichern, sondern durch Nachhilfeunterricht. Allerdings besteht eine gewisse stille Übereinkunft hinsichtlich der Höhe – der Polizist darf auch nicht übertreiben, sonst kann es leicht Ärger geben.