Vom Golf von Bengalen zum Shan-Plateau
Anfang Mai 2018 mieteten wir (Tobias und Htet Htet, Martin und seine Frau Bee sowie Ei Ei und ich) uns ein komfortables Auto und machten eine 14-tägige Tour durch Myanmar. Da meine Frau und ich den Strand von Ngwesaung gut kennen, stießen wir erst in Pathein dazu. Die Hauptstadt des Deltas hat uns sehr gut gefallen, dort lebt das alte Burma noch. Obwohl es seit kurzem ein großes Shopping Center gibt. Zu unserem Erstaunen – und unserer Freude – bekamen wir dort echte HARIBO-Gummibärchen. Mit denen wir uns kräftig eindeckten. Wir wohnten im „The First Hotel“, ganz neu und passabel, direkt an der Corniche – wenn man das denn mal so nennen will – gelegen.
Vom Strand in Ngwesaung (unsere Freunde wohnten im Shwe Hintha Hotel, einfach, aber gut) ist es nur eine Stunde Fahrtzeit. Über den südlichsten Teil des alten Pathein-Monywa Highways ging es Richtung Norden. Der Highway verbindet das Delta mit Monywa, dem wichtigsten Ort des Chindwin-Tales (Sagaing Region). Er verläuft auf dem Westufer des Ayeyarwady River. Die burmesische Regierung baute ihn in den 50er-Jahren, um die von Rebellen kontrollierten Gebiete auf dem Ostufer des großen Flusses zu umgehen. Ein paar km südlich des Ortes Alezu verließen wir den Highway und bogen Richtung Westen ab.
Wir überquerten das Arakan-Gebirge (Rakhine Yoma), das den gleichnamigen Bundesstaat vom Rest des Landes trennt. Das Gebirge schließt an die Ausläufer des östlichen Himalayas (Chin Hills) an und verläuft bogenförmig in Nord-Süd-Richtung. Es ist nur spärlich besiedelt, die Straßenverbindungen zum „Rest des Landes“ sind denkbar schlecht. Der schmale Landstreifen zwischen der Bergkette und dem Golf von Bengalen hingegen zählt zu den am dichtesten besiedelten Gebietes Myanmars. Das Gebirge wird nach Süden hin immer flacher, bis es am Kap Negrais im Meer zu verschwinden scheint. Was ein Fehlschluss ist: Es setzt sich Richtung Süden über die Andamanen und Nikobaren bis nach Sumatra fort.
Der Arakan (Rakhine) Staat ist seit geraumer Zeit in den Schlagzeilen: Hier gibt es große Probleme zwischen aus Bengalen eingewanderten Moslems (Eigenbezeichnung Rohingya) und den buddhistischen tibeto-burmanischen Arakanesen. Sie gipfelten in der Vertreibung von etlichen hunderttausend nach Bangladesh. Hinzu kommt seit einiger Zeit ein Konflikt zwischen der von ethnischen Arakanesen begründeten Arakan Army (die die Unabhängigkeit des Gebietes anstrebt) und burmesischen Regierungstruppen. Er hat schon zu etlichen Scharmützeln mit Todesopfern auf beiden Seiten geführt. Die Bevölkerung ist zwischen die Fronten geraten und das Hauptopfer des Konfliktes – wie leider so oft in Myanmar. Da sich besagte Ereignisse überwiegend im Norden des Bundesstaates abspielen, bekamen wir nichts davon mit.
Die Grenze zwischen der Ayeyarwady Region und dem Rakhine State wird kontrolliert. Die Immigration-Behörde schaut sich die Reisepässe an und die Namen der Reisenden werden in ein dickes Buch eingetragen. Ausländer scheinen hier selten durchzukommen. Etwa eine Stunde später erreichten wir den Ort Gwa, romantisch am Golf von Bengalen gelegen. Von dort sind es noch etwa 45 Minuten Richtung Norden bis zum Ort Kanthaya. Über eine schlechte Straße geht es zum Meer. Und dort lag unser Ziel, die Arakan Nature Lodge!
Deren Manager ist ein Schweizer Krankenpfleger namens Ueli, der seit einiger Zeit in Myanmar lebt. Wie er berichtete, habe er lange in Sandoway für eine NGO gearbeitet. Dann bekam er das Angebot, dieses Resort zu übernehmen und er schlug ein. Die Lodge besteht aus mehreren recht komfortablen einstöckigen Bungalows und zwei zweistöckigen Häusern, in denen jeweils zwei Zimmer untergebracht sind. Einige der Bungalows liegen am direkt am Strand, der Rest in der zweiten Reihe. Die Preise fanden wir vergleichsweise hoch (über 100 Dollar), allerdings ist zu berücksichtigen, dass hier Vollpension geboten wird. Das Essen schmeckte gut, auch wenn es manchmal etwas spärlich dosiert war. Ueli und sein Team geben sich große Mühe und verwöhnen ihre Gäste nach Kräften. Der Strom kommt aus der Solaranlage und ist von abends um 6 bis morgens um 7 verfügbar. Es gibt weder eine Klimaanlage noch Ventilatoren, was für uns (in der heißen Jahreszeit!) o. k. war. Vom Meer wehte stets eine kühle Brise. Nur am Nachmittag konnte es unangenehm heiß werden.
Die Toiletten sind nicht mit Wasserspülung ausgestattet, nach Benutzung wird ein Gemisch aus Reishülsen und sonst was eingestreut. Wir konnten keinen Unterschied feststellen, so weit es den Geruch betraf. Die Gäste waren Expats, d. h. in Myanmar ansässige Ausländer. Zur Zeit unseres Besuches logierten dort etliche Ehepaare mit Kindern. Das Highlight ist – wie zu erwarten – der Strand. Wunderschön und praktisch menschenleer. Ab und zu sahen wir ein paar Fischer am Meer. Einen solchen Strand gibt es eigentlich nur in Katalogen. Das Meer ideal zum Baden, auch für Kinder. Es dauert eine ganze Weile, ehe man tiefes Wasser erreicht. Am nördlichen Ende des Strandes sehr interessante, bizarre Felsformationen (Kissenlava). Wir haben dort nicht getaucht oder geschnorchelt, aber schon das, was man von oben sehen konnte, war eindrucksvoll genug! Das Resort stellt Masken, Flossen und etliche Wassersportgeräte gratis zur Verfügung. Die Anreise ist – bei einem so abgelegenen Ort nicht verwunderlich – etwas beschwerlich. Mit dem Auto sind es ca. acht Stunden von Yangon. Ein weniger anstrengender Weg führt über Ngapali/Sandoway, das von Yangon bequem mit dem Flieger zu erreichen ist. Vom kleinen Airport aus sind es ca. drei Autostunden bis zum Resort. Auf dem Weg viele unberührte Strände. In Kanthaya selbst gibt es schon etliche Guest Houses und Hotels, die nach unserem Eindruck überwiegend von Einheimischen besucht wurden.
Unser nächster Stopp war in Ngapali. Dort ist eine ganze Menge los. Es erinnerte mich ein bisschen an Kuta Beach (Bali) in den 70er-Jahren. Mit einer Ausnahme: Es gibt dort wie zu erwarten kein Nachtleben. Wir wohnten in der Yoma Cherry Lodge, einem netten kleine Resort nördlich des Hauptstrandes. Leider wird dessen Strand auch von den Fischern als Ankerplatz genutzt.
Daher stinkt es oft nach Diesel und die ‚Locals‘ gehen dort ihrer Arbeit nach. Was das Baden nicht attraktiver macht. Mit dem Auto braucht man nur ein paar Minuten zum Hauptstrand, wo man wunderbar schwimmen kann. Wenn ich eine Rangliste der von uns besuchten Strände aufstellen sollte, käme die Arakan Nature Lodge auf den ersten Platz, gefolgt von Ngwesaung und Ngapali.
Nach drei Tagen in Ngapali machten wir uns auf den Weg nach Pyay, das auf der Ostseite der Rakhine Yoma liegt. Die Straße führte Richtung Norden nach Taungok. Von dort geht die Hauptstrecke nach Osten über die Rakhine Yoma nach Pyay. Das Gebirge ist hier schon erheblich höher als weiter im Süden. Die Grenze zwischen dem Rakhine State und der Bago Region verläuft auf dem Hauptkamm (ca. 1.300 m). Am Checkpoint die übliche Prozedur und dann ging es weiter nach Pyay (Prome), das wir am Abend erreichten. Zu meiner Verwunderung war dieses Gebirge sehr trocken, die Vegetation weitgehend verdorrt, obwohl es so nah am Meer lag. Und noch größer wurde mein Erstaunen, als der nächste Gebirgszug, die Bago Yoma, schon erheblich grüner war. Um das Bild perfekt zu machen, war das am weitesten vom Meer entfernte Shan-Gebirge das grünste! Das wird sich mit Einsetzen des Monsuns grundlegend ändern.
Pyay, früher als Prome bekannt, ist eine recht große Stadt am Ayeyarwady, der hier von einer gewaltigen Brücke überspannt wird. Neben den üblichen Pagoden hat der Ort selbst nicht viel zu bieten. Wir wohnten Lucky Dragon Hotel, ganz o.k.! Allerdings wird ihm vermutlich das neu eröffnete Pyay Garden Hotel in absehbarer Zeit den Rang ablaufen. Wer den guten alten sozialistischen burmesischen Stil mag, wird sich im Mingala Garden wohl fühlen. Die Sehenswürdigkeiten liegen etwas abseits. Da ist zum einen der Brillenbuddha in Shwedaung, ein wichtiges Pilgerzentrum. Angeblich hat ein Brite, dessen Frau an einem Augenleiden erkrankt war, die Brille in den 20er-Jahren gestiftet. Es wurden schon etliche Versuche unternommen, sie abzunehmen. Sie alle endeten in Katastrophen verschiedener Art. Also ließ man es … Neun Mönche sind nötig, um die Brille alle zwei Wochen zu reinigen.
Bedeutend interessanter ist da schon Sri Kshetra, bei den Burmesen als Tharekittaya bekannt. Es ist die Letzte der großen Städte des geheimnisvollen Pyu-Volkes, das in der Frühgeschichte Myanmars eine wichtige Rolle spielte. Sie wurde im 9. Jahrhundert von Feinden überwältigt und ihre Bewohner zerstreuten sich. Die Ruinen erstrecken sich über ein großes Gebiet und sind erheblich älter als die Bauten von Bagan. Ein kleines Museum erzählt die Geschichte der Stadt. Die Pyu sind die „Erfinder“ des Flaschenkürbis-Stupa (Bu Hpaya), von denen auch in Bagan etliche zu sehen sind. Neben den großen Stupas Hpayagyi und Bawbawgyi ist vor allem der Laymyethna-Tempel mit seinen vier Eingängen interessant. Vermutlich ist er der Erste seiner Art im ganzen Lande …
Nach der Besichtigung Sri Kshetras fuhren wir Richtung Osten zur Bago Yoma (Bago-Gebirge). Dieses erstreckt sich vom Mt. Popa (nahe Bagan) im Norden über mehrere hundert km nach Süden und endet in Yangon. Der Theingottara-Hügel, auf dem die Shwedagon steht, ist sozusagen der letzte Ausläufer dieser Bergkette. Sie ist nicht besonders hoch, aber ein wichtiges Zentrum der Forstwirtschaft. Die meisten Teakstämme kommen aus diesem Gebiet. Hier sind noch Arbeitselefanten im Einsatz! Es ist möglich, die Camps nach Absprache zu besuchen. Im Gegensatz zu anderen (z. B. Poe Khyar) ist das hier „the real thing“! Wir wohnten in der Bago Yoma Eco Resort, die am westlichen Hang des Gebirges liegt. Eine sehr geschmackvoll eingerichtete Lodge mit komfortablen, schönen Bungalows. Nachts gab es sogar Aircon. Von dort aus lassen sich Ausflüge ins Bago-Gebirge unternehmen. Hier gibt es noch wilde Elefanten und sogar Tiger. Zumindest las ich vor längerer Zeit in der New Light of Myanmar, dass Wilderer dort einen solchen erlegt hätten und streng bestraft wurden. Wir verließen die Lodge nach dem Lunch und fuhren nach Toungoo.
Toungoo ist die Keimzelle des zweiten burmesischen Großreiches (16.–18. Jahrhundert). Dessen Könige verlegten ihre Hauptstadt erst nach Bago (Pegu) und später nach Ava (Inwa). Die gewaltige Palastanlage erinnert an die vergangene Größe. Wir wohnten im Myanmar Ahla (Myanmar Beauty Hotel). Das auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Demnächst wird ein großer Neubau eröffnet. Man rechnet offenbar mit einem kräftigen Zuwachs des Tourismus – auch in dieser eher abgelegenen Gegend. Für uns war die Stadt die Basis für einen Ausflug nach Thaundaungkyi. Nachdem man die staubige Ebene verlassen hat, erreicht man eine wunderschöne, grüne Bergwelt. Wie schon oben ausgeführt, die grünste von allen! Hier beginnt der Karen-Staat. Dort leben sehr viele Christen und für die ist der Ort ein wichtiges Pilgerzentrum. Auf einer Bergspitze erhebt sich das „größte christliche Kreuz Myanmars“. Es ist aus Stahl und aufgrund seiner guten Beleuchtung auch nachts weithin sichtbar. Dort oben trafen wir viele nette Leute! Wir kehrten nach Toungoo zurück, wo sich unsere Wege trennten: Tobias, Htet Htet, Martin und Bee fuhren nach Yangon und wir nach Bagan und dann weiter nach Mogok.