Buddhismus 8 - Sprachen und Datierungen

Während meiner Zusammenarbeit mit burmesischen Reiseleitern fiel mir häufig auf, dass es viele Ungereimtheiten hinsichtlich Eigennamen gibt. Zuerst einmal seien die für den Buddhismus wichtigen Sprachen kurz vorgestellt:

Das Sanskrit ist eine altindische Sprache, die zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehört. Sie ist also mit den meisten europäischen Sprachen verwandt. Es besteht keinerlei Verwandtschaft zur sinotibetischen Sprachfamilie (zu der auch Burmesisch gehört) – abgesehen davon, dass sie viele Lehnwörter aus dem Sanskrit bzw. dem Pali aufgenommen hat. Sanskrit wird seit langem nicht mehr gesprochen (sog. tote Sprache wie z. B. das Latein in Europa, das nur noch religiöse und wissenschaftliche Bedeutung hat) aber nach wie vor im sakralen Kult verwendet. Es ist nicht nur die heilige Sprache des Hinduismus, sondern auch des Mahayana-Buddhismus und wird traditionell in der Devanagari-Schrift geschrieben. Dieser Begriff lässt sich am besten übersetzen mit Stadt der Götter, was bedeutet, ‚…dass die Sprache eine Wohnstätte gefunden hat für die Aussagen der Götter‘. Sie wird heute noch (mit diversen Variationen) für wichtige nordindische Sprachen (z. B. Hindi, Bengali) benutzt.

Das Pali ist ebenfalls eine alte indische Sprache, eine jüngere regionale Ausprägung des Sanskrit. Es weist große Ähnlichkeit mit Letzterem auf und zeichnet sich dadurch aus, dass dessen Wörter stark abgeschliffen werden (siehe unten). Auch Pali gehört zu den indoeuropäischen Sprachen und es ist ebenfalls schon vor langer Zeit ausgestorben. Heute dient es als ‚Kirchensprache‘ des Theravada-Buddhismus. Pali kann problemlos in sämtlichen Schriften Indiens und des indisierten Südostasiens geschrieben werden, da alle aus der altindischen Brahmi-Schrift hervorgegangen sind. Daher ist der Ausdruck ‚Palischrift‘, den man oft hört, nicht korrekt. Pali wird u. a. in singhalesischer und burmesischer Schrift geschrieben, aber natürlich auch in lateinischer – wie z. B. mein Pali-Wörterbuch! 

Das Problem ist nun die Aussprache: Viele Burmesen kennen die Pali-Wörter nur in ihrer burmanisierten Form. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn sie nicht glaubten, dass diese Form das wahre Pali sei! Dem ist jedoch NICHT so. Ein Singhalese z. B. würde die burmanisierten Pali-Wörter vermutlich nicht verstehen, ebenso wenig ein Thai oder Khmer – geschweige denn ein Chinese. Als jemand, der halbwegs Burmesisch versteht, wundere ich mich immer wieder, welche Formen mir wohlbekannte Pali-Wörter im Burmesischen angenommen haben  einige Beispiele:

 

Sanskrit                             Pali                         Burmesisch  

Trayastrimsha               Tavatimsa              tawadeindha

karma                                kamma                       kan

dharma                            dhamma                    dama.

nirvana                               nibban                     nei‘ ban

Sakra                                  Sakka                       dhagja:

 

Doch steht Myanmar nicht allein mit diesem Problem. Den thailändischen Nachbarn geht es auch nicht viel besser: Das Paliwort antaraya (urspr. Hemmnis, Hindernis, Widrigkeit) wird im Burmesischen zu andaye, im Thai zu antarai – das bedeutet: Gefahr! Die berühmte Erdgöttin, die Buddha gegen den Angriff Maras und seiner Armee beisteht, heißt auf Pali Vasuntari. Das mutiert im Burmesischen zu wathoun darei und im Thai zu Ma Thorani. Entscheidend scheint mir eines zu sein: Dass lokale Reiseleiter sich zumindest die wichtigsten Pali-Wörter einprägen – man findet sie z. B. im Myanmar-English Dictionary. Ein anderes Problem stellt die unterschiedliche Bedeutung von Namen in verschiedenen Kulturkreisen dar: Devas bedeutete im Pali ‚Götter‘. In in Myanmar hingegen wird der Begriff nicht ausschließlich in diesem Sinne verwendet. Und das Wort na’ bzw. na’ thami: umfasst im allgemeinen Sprachgebrauch eine ganze Reihe von himmlischen Wesen, die in der Pali-Literatur unter verschiedenen Namen (z. B. Devas!) bekannt sind.

In diesen Kontext gehören auch Legenden indischen Ursprungs, die burmanisiert wurden. So kennt in Myanmar jedes Kind die Geschichte von Tapussa und Ballika. Es trifft zu, dass sie aus Ukkala kamen. Allerdings lag diese Stadt in Orissa (einem Bundesstaat von Indien) und nicht am Yangon River. Ebenso wie Saketa, eine der ’sechs prächtigsten Städte Indiens‘ mit dem Stadtteil Yangons (Thaketa) außer dem Namen vermutlich nicht viel gemeinsam hatte. Diese Legenden wurden einfach auf Myanmar übertragen. Sicher haben die beiden auch keinen gaungbaung und longyi getragen, wie es auf vielen Darstellungen zu sehen ist: Die Burmesen kamen frühestens im 11. Jahrhundert A. D. in dieses Gebiet. Und da haben wir gleich das nächste Problem! 

Die Datierung

Viele burmesische Reiseleiter werfen gern mit Begriffen wie B. C. (bee-cee) oder A. D. (a-dee) um sich! Wenn man fragt, was denn das nun bedeutet, herrscht meist ratloses Schweigen! Offenbar kommen nur die wenigsten auf die Idee, einmal im Lexikon nachzuschlagen! Also: B. C. ist Englisch und eine Abkürzung für: Before Christ! A.D. ist Lateinisch und bedeutet: Anno Domini (zu Deutsch: Im Jahre des Herrn, auf Englisch In the year of the Lord). Der Herr oder Lord ist natürlich Jesus Christus, der (angeblich) in diesem Jahr geboren wurde: Seine Geburt symbolisiert demnach eine Zeitenwende! Die Bezeichnung A. D. wird in ganz Europa gebraucht und verstanden, im deutschsprachigen Raum findet sich auch oft der Begriff n. Chr. (nach Christus) oder n. Chr. Geb. (nach Christi Geburt). Die Grenze zwischen B. C. und A. D. ist das Jahr eins A.D.! Ein Jahr null gibt es nach allgemeiner Ansicht nicht. Daher dauerte das 20. Jahrhundert bis zum 31. 12. 2000 einschließlich, wenn auch alle schon am 31. 12. 1999 Millennium gefeiert haben.

Wie wir wissen, gibt es nicht nur eine Zeitrechnung: Die Buddhisten habe die ihre, die Christen eine andere, die Moslems wieder eine andere. Selbst die Karen haben ihre eigene Zeitrechnung. In Myanmar werden wir mit drei Zeitrechnungen konfrontiert:  Anno Domini (A. D.) – beginnt im Jahre 1 (siehe oben)

Buddhist Era (B. E.) – beginnt mit dem Parinibbana Buddhas im Jahre 543 B.C. (gemäß ursprünglich angenommener Lebensdaten)  

Myanmar Era (M. E.): beginnt im Jahre 638 A. D. und wurde – nach Ansicht burmesischer Experten – willkürlich von Bagans König Popa Sawrahan festgelegt. Da diese Zeitrechnung jedoch auch in anderen Ländern Südostasiens (z. B. Laos) verbreitet ist, sind Zweifel angebracht.  

Ende Januar 2005 A. D. schrieben wir demgemäß entsprechend:

  • der buddhistischen Zeitrechnung das Jahr 2548 B.E.
  • der christlichen Zeitrechnung: das Jahr 2005
  • der Myanmar-Zeitrechnung: das Jahr 1366

Also Vorsicht bei Datierungen: Einige Höhlentempel in Shwebataung (nahe Po Win Taung) sind zwar mit 1263 oder ähnlich datiert: Das heißt aber noch lange nicht, dass sie während der Bagan-Zeit gebaut wurden – richtig ist 1901 A. D.!! Das sieht man ja (hoffentlich!) auch, wenn man sich die Tempel genau anschaut!

Ein anderes Problem, das ich bei meinen Kollegen gelegentlich beobachte, beruht auf mangelnden Kenntnissen der Kopfrechnung. Auf die Frage, wann Buddha denn geboren sei, erhält man in der Regel die richtige Antwort: 543 B. C. (traditionelle buddhistische Zeitrechnung)! Da jeder weiß, dass der Buddha 80 Jahre alt wurde, müsste das Todesjahr leicht zu errechnen sein: 463 B. C.! Manche haben aber ein großes Problem damit, dass die Zeit vor Christi Geburt sozusagen rückwärts läuft, und sagen deshalb 623 B. C. Was bedeuten würde, dass Buddha achtzig Jahre VOR seiner Geburt starb!! Und noch ein Fehler, den ich oft beobachte: Das 19. Jahrhundert beginnt nicht etwa im Jahre 1901 und dauert bis 2000 – nein, es beginnt 1801 und endet 1900! König Thibaw regierte im 19. Jahrhundert, nicht im 18.!!

Richtig kompliziert wird es erst, wenn es zum burmesischen Kalender kommt! Warum? In den Ländern des Westens benutzt man ein reines Solarjahr. Alle Daten richten sich nach dem Lauf der Erde um die Sonne, der bekanntlich etwa 365 Tage in Anspruch nimmt. Neujahr fällt immer auf das gleiche Datum, den 1. Januar. Die Moslems hingegen bedienen sich eines reinen Lunarjahres: Der Kalender richtet sich nach dem Lauf des Mondes (braucht ca. 28 Tage, um die Erde einmal zu umrunden). Das Neujahrsfest fällt immer auf ein anderes Datum und das moslemische Jahr ist kürzer als das westliche – es dauert ca. 336 Tage. Der burmesische Kalender hingegen bedient sich eines Lunisolarjahres, d. h. es richtet sich sowohl nach dem Lauf der Erde um die Sonne als auch dem Lauf des Mondes um die Erde ! Die Monate wandern entsprechend dem Mondkalender durch das Jahr, aber das Neujahrsfest fällt immer auf den 17. April! Um den Unterschied zwischen dem Mondjahr und dem Sonnenjahr auszugleichen, wird alle vier (?) Jahre ein Schaltmonat (2nd Waso) hinzugefügt.