Burmesinnen und Ausländer

Nicht wenige männliche Besucher Myanmars lernen die holde Weiblichkeit des Landes zuerst in der Gestalt von Prostituierten kennen. Die meisten von ihnen werden die Sache irgendwann leid und möchten etwas Festes! Wie z. B. Mr. Flory, tragischer Held aus George ORWELLs Burmese Days, der sich eine burmesische Freundin hielt, die ihm auf dem Kopf herumtanzte. Solche Verhältnisse wurden in gewissen Kreisen gar nicht gern gesehen‚ wie schon Moritz SCHANZ (Ein Zug nach Osten, Hamburg 1897) auffiel: Die im Lande wohnenden Europäer leben nämlich vielfach in wilder Ehe mit Birmesinnen, ein Zustand, der nebenbei bemerkt, von der Keuschheitsliga englischer Damen, dem „weissen Kreuz“ in Rangun und besonders in Mandalay jetzt heftig bekämpft wird, dadurch, dass die Namen derartiger europäischer Junggesellen bekannt gemacht und andere Kraftmittel versucht werden, um den Europäern die ausschließlichen Vorrechte der Engländerinnen überzeugend zu Gemüthe und die Reuigen in die allein seligmachenden Arme der Töchter Albions zu führen. Wenn man etwas verfolgt hat, welch’ ungeheuren Einfluss alte Jungfern männlichen und weiblichen Geschlechts in Englands Gesellschaft und Gesetzgebung haben, so ist das „weisse Kreuz“ verhältnismäßig ja noch eine sehr milde Institution.

Die Zeiten haben sich auch hierzulande geändert – nicht aber die burmesischen Frauen. In Myanmar gilt es für die Ausländerinnen, gut auf ihre Männer aufzupassen. Nicht wenige Beziehungen und Ehen sind hier gescheitert – der Reiz der Burmesinnen ist einfach zu groß. Das ‚Weisse Kreuz‘ hat nach der Unabhängigkeit einen legitimen Nachfolger gefunden: die ‚Myanmar Women’s Association‘ (Myanma Naingngan Amyothamiyeya Aphwe Chin) – eine quasi-terroristische Organisation, der Schrecken aller Männer. Gleich ob Burmesen oder Ausländer. Sobald eine Frau der Meinung ist, dass ihr ein Unrecht geschehen sei, rennt sie da hin. Dieser radikale (burmesisch-charmante) Weiberrat schafft es sogar, gut situierte Ausländer, die sich ‚schuldig‘ gemacht haben (d. h. ein Verhältnis angefangen und die Geliebte dann abgeschoben), aus dem Lande zu vertreiben. Wie so mancher erfahren musste, der mit einer ‚normalen‘ Burmesin etwas angefangen hat. 

   

Rudyard KIPLING, dessen Gedicht The Road to Mandalay das Bild Myanmars in der Welt wohl mehr geprägt hat als alles andere, musste einräumen, dass er in Moulmein überhaupt keine Augen für die Pagode hatte, weil er von der Schönheit eines Mädchens fasziniert war, das auf der Treppe saß. Er sagte folgendes über die Burmesinnen:  I love the Burman with the blind favouritism born of first impression. When I die I will be a Burman… and I will always walk about with a pretty almond-coloured girl who shall laugh and jest too, as a young maiden ought. She shall put no sari over her head when a man looks at her and glare suggestively from behind it, nor shall she tramp behind me when I walk: for these are the customs of India. She shall look all the world between the eyes, in honesty and good fellowship, and I will teach her not to defile her pretty mouth with chopped tobacco in a cabbage leaf, but to inhale good cigarettes of Egypt’s best brand.      

Der chilenische Dichter Pablo NERUDA berichtete von seiner Erfahrung mit einer jungen Dame namens Josie Bliss: … hatte sich in den Kopf gesetzt, sich bis zu krankhafter Eifersucht in mich zu verlieben…. Sie hegte Eifersucht und Widerwillen gegen die Briefe, die von weither für mich kamen, sie versteckte meine Telegramme, ohne sie zu öffnen, grollte der Luft, die ich atmete…. Manchmal weckte mich ein Licht, ein Gespenst, das hinter dem Moskitonetz herum geisterte. Sie war es, weiß gekleidet, ihr einheimisches langes geschliffenes Messer schwenkend. Sie war es, die volle Stunden mein Bett umschlich, ohne sich zu meiner Ermordung zu entschließen. Wenn du stirbst, ist meine Angst zu Ende, sagte sie.‘ Schließlich ließ sich der Dichter ohne Wissen von Frl. Bliss nach Ceylon versetzen, bereitete insgeheim seine Abreise vor und verließ eines Morgens unter Zurücklassung seiner Kleider und Bücher wie gewöhnlich das Haus und schiffte sich nach Ceylon ein. Schmerzerfüllt verließ ich Josie Bliss, das birmanische Pantherweibchen. Kaum begann der Dampfer auf den Wellen des Golfs von Bengalen zu schaukeln, als ich mich niedersetzte und das Gedicht ‚Der Tango des Witwers’ schrieb, ein tragisches Stück meiner Dichtung, der Frau gewidmet, die ich verloren hatte und die mich verloren hatte, weil in ihrem Blut rastlos der Vulkan des Zorns brodelte. Welch große Nacht, welch einsame Erde.

Lesen wir, was M. MUELLER und G. VETTER aus der Ostzone, die erstaunlicherweise eine ganze Menge Literatur über Myanmar veröffentlicht hat, meist im Verlag Neues Leben Berlin (Landgang in Madras und Rangun) zu diesem Thema beitragen können: Doch wird die Ehe durch Untreue des Mannes zerstört, dann greifen die Frauen noch heute zu Maßnahmen, die es ratsam erscheinen lassen, lieber treu auszuharren. Ich wurde zufällig Zeuge einer solchen Ehetragödie. Es war frühmorgens am Rande von Rangun. Ein Menschenauflauf vor einem Pfahlbau weckte meine Neugier. Ich war gerade zurecht gekommen, um zu erleben, wie eine Frau, ein graziles Geschöpf mit trotzigem Mund und sanften schmerzgezeichneten Augen, von zwei Polizisten in einen bereitstehenden Jeep geführt wurde. Arme und Kleidung der Frau waren blutverschmiert. Zwei weitere Polizisten schleiften ein ebenfalls blutiges Bündel hinterher und warfen es ins Auto. Die umstehenden Frauen nickten zufrieden und riefen der Verhafteten Worte zu, die offensichtlich aufmunternd klangen. Die Männer schwiegen betreten, ich möchte sagen: fast schuldbewusst. Einer deutete auf das Bündel und flüsterte mir zu: „Das war ihr Mann, ein fröhlicher Junge.“ Der Auflauf verlor sich schnell, die Frauen gingen erhobenen Hauptes davon, ein wenig erregt und etwas von dem Trotz mit sich tragend, den wir eben auf dem Gesicht der Verhafteten gelesen hatten. Die Männer ließen die Schultern hängen, und im Vergleich zu den Frauen schlichen sie geradezu ihren Weg weiter. Ich bat den Mann, mir zu erklären, was sich hier zugetragen habe: „Sie hat ihn umgebracht, während er schlief, mit dem Buschmesser in Stücke gehauen.“. „Was? Dieses zarte Geschöpf?“ „Ja, das kommt vor! Er war die ganze Woche über bei einer anderen gewesen, schon zum dritten Mal. Zweimal hat sie ihm verziehen, aber diesmal hat sie der Zorn gepackt. Dabei haben die beiden früher gut miteinander gelebt. Ihre Eltern waren von Anfang an gegen diese Ehe, weil er nichts besaß und weil sein Vater ein Dieb war. Da ist sie mit ihm in den Dschungel gegangen und erst zurückgekommen, als ihre Eltern einverstanden waren. Nun hat sie ihn zerhackt und ihre Eltern haben doch Recht behalten.“ „Was wird ihr geschehen?“ will ich wissen. „Sieben Jahre Kerker, das ist hier so üblich.“ „Kommt denn so was häufiger vor?“. „Ja, aber früher wurde das nicht so hart bestraft. Schließlich war er ihr Mann und was soll sie tun, wenn er sie verlässt?“. Das letzte sagte er in einem Ton, der erkennen lässt, dass er der Gattenmörderin Gerechtigkeit angedeihen lassen will, aber fürchtet, es könne ihm gelegentlich ähnlich ergehen.

 

Unschlagbar ist in diesem Zusammenhang das Buch Wer nicht hören will muss fühlen!, das ich einst in Bangkok beim dicken Otto Duffner (Bei Otto, Sukhumvit Soi 22) in der Bäckerei erwarb. Es beschäftigt sich mit den Liebeshändeln zwischen thailändischen Prostituierten und ihren deutschen Kunden: Unbedingt lesen! Angesichts dieser Geschichten kontrollierte ich ab einem bestimmten Zeitpunkt jedes Mal, wenn meine eigene Freundin (eine hoffnungsvolle Hip-Hop-Sängerin) ins Schlafzimmer kam, diskret ihre Handtasche um zu schauen, ob sie womöglich eine Waffe darin verborgen hatte.