I had a boat in Burma (deutsch)
Die Geschichte eines gescheiterten Abenteuers – Andere mögen eine Farm in Afrika gehabt haben. Ich hatte ein Schiff in Burma! Aber auch das war ein Abenteuer! Höret nun die Geschichte eines Ausländers, der ein Schiff in Myanmar hatte. Sie wird euch viel mehr über das Land selbst als über diesen Mann erzählen!
Die Anfänge – Eine Flussfahrt in Myanmar von Mandalay nach Bagan – das klingt doch toll! Wenn der Kunde das im Katalog liest, fängt er an zu träumen! Die Realität war ernüchternd! Die meisten Schiffe waren echte Seelenverkäufer oder banana boats, wie man sie in Myanmar nennt. Sie erfüllten nicht einmal grundlegende Standards. Die einzige Toilette an Bord stank und die Passagiere saßen auf geschmackvollen chinesischen Plastiksesseln (bevorzugt in Rosa) in der prallen Sonne. Von Schwimmwesten keine Spur! Eine wacklige ‚Reling‘ von 40 cm Höhe! Ein Wunder, dass nichts passiert ist. Manchmal war die Maschine so laut, dass man sein eigenes Wort nicht verstand. Ganz zu schweigen von Unterhaltungen mit anderen Passagieren.
Das Schlimmste für mich mit meinen 1.87 m war die Deckenhöhe im Unterdeck: 6 feet, d. h. 1.83 m. Hoch genug für 99 % aller Burmesen, aber nicht für viele hochgewachsene ‘bloody foreigners’, die sich regelmäßig den Kopf stießen! Hinzu kam, dass in vielen der Querbalken Nägel steckten, an denen die Crew ihre Moskitonetze festmachte. Und damit die auch wirklich hielten, wurden dafür bevorzugt 6-inch-nails verwendet. Die dann 10 cm aus den Balken herausragten. Mit ein bisschen Pech konnte man ein Auge verlieren. Daher hatte ich auf diesen Touren immer eine Zange dabei, mit der ich vor Antritt der Fahrt die Nägel herauszog und über Bord warf. Sehr zum Ärger der Crew übrigens. Und ich hängte in regelmäßigen Abständen DIN-A4 Blätter an den Balken auf, sodass die Kunden gewarnt waren. Später gab es gut ausgestattete, ja fast schon luxuriöse Schiffe auf
dem Ayeyarwady. Aber die boten keine Tagesfahrten an, sondern nur – sehr teure – mehrtägige Kreuzfahrten.Und so wurde die Idee geboren: Wäre es nicht großartig, wenn ein schönes, gut ausgestattetes Schiff mit vernünftigem Standard für die Fahrt von Mandalay nach Bagan – und vielleicht sogar zurück – zur Verfügung stünde? Mit einer Deckenhöhe von 7 feet, sauberen Toiletten, bequemen Deckchairs, einer Bar? Kurz gesagt, ein Schiff, auf dem die Kunden eine unvergessliche Flussfahrt von Mandalay nach Bagan machen konnten! Natürlich würde das teurer sein als ein Banana Boat, aber ich war mir sicher, dass die Gäste bereit wären, dafür mehr Geld auf den Tisch zu legen. Leider war das nicht der Fall: Die Bananenboote fuhren lustig hin und her, während mein schönes Schiff untätig in Mandalay lag. Doch das bemerkte ich erst zu spät!
Ist doch eigentlich eine Superidee: Ein altes Flussschiff (ganz aus Teak gebaut, klingt so romantisch …) zu kaufen und umzurüsten, um es als Passagierschiff zu nutzen! Und dann richtig absahnen! Schließlich machen die anderen Boote offenbar alle gute Geschäfte. Ein paar Freunde waren schnell überzeugt. Was fehlte, war eine Marktanalyse: Sonst hätten wir damals schon festgestellt, dass es bereits viele Schiffe auf dem Fluss gab und die Konkurrenz sehr groß war. Aber wir waren davon überzeugt, dass unser Schiff etwas ganz Besonderes sein würde! Die Konkurrenz konnte einpacken! Außerdem kannte ich viele Leute im Reisegeschäft, die händeringend darauf warteten, dass endlich so ein Boot den Betrieb aufnahm. Wahrscheinlich würden wir sogar ein paar Anteile an Reisebüros verkaufen können! Ich übernahm 50 % der Shares, ein Chinese aus Singapore und eine deutsche Freundin den Rest. Der Umbau gestaltete sich mehr als schwierig – aber wir schafften es! Und dann ging’s los, die Jungfernfahrt im Oktober 2013 war ein großer Erfolg, wenn auch mit großen Schwierigkeiten behaftet. Und dann dümpelte das Geschäft so vor sich hin. Wir schafften es nie, einen Gewinn zu machen.
Der Untergang – Den Tiefpunkt meines Reederlebens erreichte ich am 11. Januar 2016: Ich liege morgens um 8 friedlich in meinem Bett in Yangon. Mein Schiff ist heute unterwegs von Mandalay nach Bagan, an Bord VIP-Gäste (u. a. der Vorstandsvorsitzende der BASF) unter Leitung meines Freundes Helmut. Dringend benötigte Einnahmen. Da klingelt das Mobiltelefon! Helmut am Apparat: ‚Axel, dein Schiff sinkt!‘ Ich halte das für einen Scherz – aber es ist sein Ernst. Bitterer Ernst! Was war passiert? Kurz nach Passieren der alten Inwa-Bridge lief das Schiff auf ein Unterwasser-Hindernis, weil es zu nah an das Ufer geraten war. Zwar erkannte der Kapitän im letzten Moment die Gefahr und gab das Stoppsignal an die Maschine. Leider war der Maschinist nicht auf seinem Posten, sondern machte gerade eine Zigarettenpause. Also läuft unser Kahn in voller Fahrt auf das Hindernis und gerät sofort in Schieflage. Helle Aufregung! Die Besatzung ergreift die in einem solchen Falle erforderlichen Maßnahmen: Sie rettet ihre versifften Decken, Moskitonetze sowie sonstigen persönlichen Sachen und bringt sie an Land. Derweil schwimmen unsere teuren Korbstühle den Ayeyarwady hinunter! Die Gäste schaffen es an Land! Schließlich gelingt es der Crew, das inzwischen in 45° Schräglage geratene Boot am Ufer zu vertäuen und es in dieser prekären Lage zu halten. Die ganze Steuerbordseite ist unter Wasser. Meine Kunden nehmen es gelassen – Abenteuer auf dem Ayeyarwady! Nachdem ihr Gepäck von Bord gebracht ist, setzen sie die Reise per Bus fort – kostet mich wieder ‘ne Stange Geld …
Keiner hat je gesehen, dass ein Boot an dieser Stelle havariert ist. Jeder Idiot weiß, dass es nahe dem Ufer gefährlich ist und meidet diesen Abschnitt. Nur meine Leute nicht! Wie sagte doch meine alte Bekannte Miriam so treffend? ‚Pay peanuts, get monkeys!‘ – wie wahr … Nun liegt das havarierte Boot an der Unfallstelle und jeder, der vorbeifährt, bepfeift sich über die Idioten, die es geschafft haben, an dieser Stelle zu havarieren.
Der Kapitän und der Maschinist müssen sich einige Zeit später vor dem burmesischen Äquivalent einer ‚Havariekommission‘ verantworten. Beide haben kein gültiges Patent vorzuweisen und offensichtlich versagt. Sie werden ein bisschen ausgeschimpft und dann können sie weitermachen. Burmese Way! Drei Versuche haben sie, dann erwarten sie ‚ernsthafte‘ Konsequenzen! Wie es weiterging? Nun, wir mussten das Boot von der Unfallstelle wegbringen und wenn möglich reparieren. Dazu musste es aber erst einmal in die normale Lage gebracht und dann das Leck provisorisch abgedichtet werden. Tatsächlich schaffen sie es, das Boot in die Waagerechte zu bringen und dann wird es zu einer Sandbank nahe Mandalay geschleppt und dort aufgebockt. Wir lassen es für eine erkleckliche Summe reparieren und einigen uns dieses Fass ohne Boden jetzt zu verkaufen.
Nachdem sich längere Zeit nichts getan hat, meldet sich ein Ausländer, der Interesse hat. Allerdings besteht Peter (ein Däne, der sich mit Schiffen auskennt) darauf, dass ich, dem die kaufmännische Seite des Betriebs obliegt, weitermache. Meine Partner würde er auszahlen und dann noch einmal eine erkleckliche Summe in den Ausbau des Bootes stecken. Das erscheint mir als eine gute Lösung und ich stimme zu. Einerseits beneide ich meine bisherigen Partner, die – wenn auch mit heftigen Verlusten – aus der Sache rausgekommen sind. Andererseits reizt es mich, das Schiff mit einem verantwortungsvollen Teilhaber zu betreiben. Der sich um die technische Seite kümmert, während mir ‚nur‘ die kaufmännische obliegt.
Im Hinterkopf natürlich der Gedanke, dass das Schiff durch die Investitionen ja auch wertvoller wird. Und im Falle eines Falles später dann einen besseren Preis erzielen kann … Wie so vieles entpuppte sich auch dies als Wunschdenken. Im Folgenden einige der ‚schönsten‘ Erlebnisse aus meinem Reederleben. Alle Touristenschiffe – zumindest, soweit Ausländer daran beteiligt sind – waren verpflichtet, alle zwei Jahre zur Inspektion ins Dock zu gehen. Muss ja alles seine Ordnung haben in Myanmar. In Mandalay ist das nur in der Regenzeit möglich, da sonst der Wasserstand des Ayeyarwady zu niedrig ist. Also im Juni in die ‚Werft‘ nach Mingun. Dort wird das Schiff mittels einer Motorwinde auf einen primitiven Helgen gezogen. Natürlich nicht in einem Zug, sondern ruckweise, was den Bootskörper sehr belastet. Anschließend klaffen überall Lücken, in der Reling ebenso wie im Bootskörper! Es stellt sich heraus, dass nicht nur der Vordersteven völlig verfault ist (ich konnte mit dem Regenschirm ein Loch reinbohren), sondern dass auch die ersten sieben Spanten auf beiden Seiten das gleiche Schicksal erlitten hatten. Den Planken ging es nicht besser. Hätten wir doch nur beim Kauf damals darauf bestanden, den Bootskörper zu untersuchen!! So musste das Vorschiff komplett erneuert werden. Wir schluckten, aber dann sagten wir uns: ‚Na, danach haben wir aber auch wirklich ein schönes Schiff!‘. Und zahlten!
Aber die genannten Widrigkeiten (ich habe hier nur einen Bruchteil erwähnt) sind nur eine Seite der Medaille. Die andere ist die burmesische Bürokratie, in diesem Falle repräsentiert durch die Behörde Inland Water Transport (IWT). Dies ist eine Behörde, deren Lebenszweck darin besteht, Bootseigentümern das Leben sauer zu machen.
Eigentlich soll sie die Sicherheit der Schiffe gewährleisten. Aber das ist das Letzte, was sie tut. Wenn man hinter die Kulissen schaut, wird schnell klar, dass der einzige Zweck des Wustes an Vorschriften darin besteht, deren Angestellten eine sprudelnde Einnahmequelle zu verschaffen. Jeder weiß, was los ist, und alle spielen die Unschuld vom Lande. Ganz besonders schlimm ist es, wenn Ausländer an einem Boot beteiligt sind: Da kann man dann richtig absahnen! Ich vermute, dass diese Vorschriften noch aus der britischen Zeit stammen und damals durchaus ihren Zweck erfüllten. Später übernahm man das Rahmenwerk, aber der Inhalt blieb außen vor.
Man sagt in Schifferkreisen, dass man sich zweimal freut, wenn man ein Boot kauft: Einmal beim Kauf und dann beim Verkauf. Und das stimmt – zumindest in unserem Falle. 2019 zogen wir die Konsequenzen und beschlossen, das Schiff zu verkaufen! Leider fand sich kein Käufer. Schließlich entschieden wir uns dafür, das Boot abwracken zu lassen. Weg mit Schaden! Zufällig erfuhr eine Hotelbesitzerin aus Salay davon und bot uns etwas mehr als das Abwrackunternehmen. Wir schlugen ein und seitdem liegt das Schiff auf dem Trockenen vor dem Hotel. Es wurde umgebaut und ist heute ein richtiges Schmuckstück. Wie in seinen besten Zeiten! Und ich kann seitdem endlich wieder ruhig schlafen. Am meisten freute sich jedoch meine Frau: Sie muss sich nie wieder von IWT nerven lassen! Angesichts der Tatsache, dass in der Saison 2020/21 NULL Geschäft war und es auch in der folgenden Saison nicht viel besser zu werden scheint, stellte sich unsere Entscheidung als goldrichtig heraus! Mir tun alle Leute Leid, die hierzulande noch ein Schiff besitzen!