Reis!

Umsetzen vom Saatbeet ins Feld (Foto: Otto Esche, Im Land der weißen Elefanten)

Reis ist in Burma das wichtigste Thema überhaupt. Wie begrüßen sich Burmesen? Mit Mingalaba? Falsch! Mit htamin sar pji: pila?!! Das bedeutet: Hast du schon Reis gegessen? Wie zu erwarten, wird bei einem so wichtigen Thema auch viel Unsinn darüber erzählt. Seitdem ich hierher komme (1977), höre ich die Geschichte, dass das Land in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts der größte Reisexporteur der Welt war. Heute dagegen könne es gerade noch seinen Eigenbedarf decken. Manche behaupten gar, dass Myanmar damals der größte Reisproduzent der Welt gewesen sei – das ist natürlich dummes Zeug! Dies wird dann gern als Beleg für den Niedergang der burmesischen Wirtschaft benutzt: Das ist dummes Zeug!! Unverkennbar ist dabei oft die Absicht, der Militärregierung die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben! Jedoch: Der Zweck heiligt nicht alle Mittel! Sicherlich liegt in Myanmar vieles im Argen, aber im Reisanbau hat es deutliche Fortschritte gegeben. Schauen wir uns die Zahlen an: Die jährliche Reisproduktion Myanmars lag im Durchschnitt der Jahre 1937 bis 1941 bei 7,5 Millionen Tonnen (Quelle: STORZ: Birma – Land, Geschichte, Wirtschaft). Der Hektarertrag (siehe unten) war kurz vor dem Krieg etwa halb so hoch wie 1999. Wie wir in der Tabelle 1 sehen können, wurden 2014 26 Mio. Tonnen Reis produziert. 1999 hingegen nur 17 Millionen (lt. IRRI*), 2013 dagegen 29 Mio. (Fischer Weltalmanach). Daraus lässt sich ersehen, dass die Reisernte starken Schwankungen ausgesetzt ist. Nicht zuletzt ‚verantwortlich‘ dafür ist der Monsun.

Bauern warten vor der staatlichen Reisankaufstelle (Foto: Otto Esche)

Bei den Zahlen ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Bauern bis vor einiger Zeit den Reis zu von der Regierung festgesetzten Preisen abgeben mussten. Das führte dazu, dass erhebliche Mengen davon auf dem Schwarzmarkt ‚verschwanden‘. Mein Freund, der leider verstorbene Otto ESCHE, schreibt dazu, dass es auch nach der ‚Revolution‘ von 1962 immer noch Leute gab, denen das Neue in Burma ‚ … eine starke Einengung ihrer Herrschaft brachte. So versuchen sie, die religiös bedingte Hörigkeit der Bauern zu erhalten, um sie zu überreden, ihre Produkte nicht bei den staatlichen Aufkaufstellen abzuliefern, sondern sie durch die schmutzigen Hände der Spekulanten laufen zu lassen‘ – auch wenn die besser zahlten … Ein echter Sozialist lässt sich halt nicht von seinem Weg abbringen. Daher nahm man damals auch gern an freiwilligen Arbeitseinsätzen teil. Otto Esche berichtet aus einem Dorf in der Nähe des Inle-Sees, wo er zu seiner Verwunderung einen russisch sprechenden Burmesen im weißen Kittel trifft. Der klärt ihn auf: „Wir kommen aus dem Krankenhaus in Taunggyi. Heute, am Sonntag, führen wir einen freiwilligen und natürlich unbezahlten Arbeitseinsatz durch, um den Menschen, die in der Dörfern westlich des Sees wohnen, den Weg nach Taunggyi zu ersparen. Für sie bedeutet ein Besuch des Krankenhauses in Taunggyi mehr als eine Tagesreise. Wir kommen ihnen also entgegen.“ – „Und für uns ist dieser Subbotnikeinsatz keine Belastung, sondern eine angenehme Aufgabe“ fügt ein sowjetischer Kollege hinzu. „Vor allem, weil wir immer mehr Patienten bekommen …“ Believe it or not!

Essen fassen! Mittagspause beim Subbotnik-Einsatz (Foto: Otto Esche)

Für die starke Abnahme der burmesischen Reisexporte gibt es mehrere Gründe. Zum einen hat sich die Bevölkerung des Landes seit den 30er-Jahren verfünffacht. Und kein Volk der Welt verzehrt mehr Reis als die Burmesen – 210 Kilogramm pro Kopf jährlich! Statistisch gesehen zumindest. Zum anderen war das Land damals Teil der weltumspannenden Wirtschaft des britischen Empire. Das durchaus in der Lage war, unwillkommene Konkurrenz von seinen Märkten fernzuhalten. Entscheidend für die Briten war dabei nicht das Wohl Burmas, sondern das des Empire! Bezeichnenderweise hat es in jenen ‚goldenen Jahren’ recht oft Unruhen (z. B. den Aufstand des Hsaya San) gegeben, die nicht zuletzt durch Unzufriedenheit mit der Reisversorgung verursacht wurden. 

Hsaya San auf der 90-Kyat-Banknote

Nach dem 2. Weltkrieg traten in einer politisch veränderten Welt andere Staaten als Reisexporteure auf den Plan, die z. T. bessere Qualitäten anzubieten hatten. Auch das kein unwichtiger Faktor beim Rückgang der burmesischen Reisexporte! Sri Lanka erging es mit dem Tee nicht viel anders: Es büßte seine Monopolstellung ein und ist heute nicht mehr der größte Tee-Exporteur der Welt! Und schließlich hat die Versorgung der eigenen Bevölkerung für alle Regierungen von Burma/Myanmar absolute Priorität. Die Burmesen sind geduldige Menschen – aber beim Reis hört die Geduld auf! Eine Regierung, die es nicht schafft, die Versorgung damit sicherzustellen, wäre dem Untergang geweiht.Ein weiterer Faktor sind die veränderten Marktverhältnisse. Wer die Exportstatistiken 2005/06 bis 2017/18 genau betrachtet, wird feststellen, dass Hülsenfrüchte den Reis schon seit langem als landwirtschaftliches Hauptexportgut abgelöst haben. Im Jahre 20016/17 exportierte Myanmar knapp 700.000 M.T. Reis und erlöste dafür 200 Mio. US $.

Im selben Zeitraum verkaufte es knapp eine Mio. M.T. Hülsenfrüchte ins Ausland und nahm dadurch eine Milliarde US $ ein. Myanmar gehört zu den größten Produzenten und Exporteuren von Hülsenfrüchten weltweit: 2013/14 produzierte es 5 Mio. M. T. Hülsenfrüchte, davon wurden mehr als ein Viertel exportiert. Wenn man sich jetzt noch vorstellt, wie mühselig der Reisanbau verglichen mit dem Anbau von Hülsenfrüchten ist (Bewässerung!), sieht die Sache schon anders aus. Reis ist jedoch nach wie vor das Hauptanbauprodukt des Myanmars. Und wird es immer bleiben. Im Jahre 2017/18 wurden etwas mehr als 25,6 Millionen Tonnen Getreide erzeugt – davon waren etwa 96 % Reis, der Rest Mais und Weizen. Die Produktion an Hülsenfrüchten (17 Sorten) betrug in jenem Zeitraum 4,3 Millionen Tonnen (Quelle: Myanmar Statistical Yearbook 2002).

Im Weltvergleich nimmt Myanmar bei der Reisproduktion den siebten Platz ein (Fischer Weltalmanach): 2014 produzierte es ca. 26 Mio. M.T., das waren ca. 3.5 % der Weltproduktion von 741 Mio. MT.

Tabelle 1: Die größten Reisproduzenten der Welt 2014 (in Mio. M.T)

China

Indien

Indonesien

B‘desh

Vietnam

Thailand

Myanmar

Philippines

 206

  157

      71

   52

    45

    33

    26

    19

Der meiste Reis wird in den Produktionsländern verzehrt. Exportiert werden weniger als 10 % der gesamten Produktion.

Tabelle 2: Die größten Reisexporteure im Jahre 2018 (in Mio. M.T.)

China

Indien

Vietnam

Thailand

Pakistan

USA

Myanmar

  ./.

   13

    7

   10.5

   4.3

   3

   3,1

Tabelle 3: Wichtige Reisimporteure 1999 (in Mio. M.T.)

China

Philippinen

Indonesien

Saudi-Arabien

Nigeria

  4.7

     1.8

     1,6

       1,6

    3,0

Die Reisproduktion hängt nicht nur von der Anbaufläche ab. Sehr wichtig sind auch die Erträge; sie werden gemeinhin in M.T. pro Hektar (1 ha = 100×100 m = 10.000 m2). Die Erträge unterscheiden sich sehr stark, nachstehend die Hektarerträge der großen Produzenten:

Tabelle 4: Hektarerträge großer Reisproduzenten (in Tonnen/Hektar, 2007, Quelle IRRI)

China

Indien

Indonesien

B‘desh

Vietnam

Thailand

Myanmar

Philippines

  6,3

  3,2

     4,7

  3,9

   4,9

    2,7

    4

     3,8

Tabelle 5: Länder mit den höchsten Hektarerträgen für Reis 2007 (Quelle IRRI)

Japan

China

Vietnam

Korea Rep.

USA

   6,6

   6,4

     4,9

     6,3

     8

Es mag für viele überraschend sein, aber offenbar gedeiht der Reis in den Tropen nicht so gut wie im gemäßigten Klima. Der Großteil des Reises in China z. B. wird in letzterer Zone bzw. den Subtropen angebaut! Eine Frage am Rande: Warum wird im fortgeschrittenen Reisanbau eigentlich der Reis zuerst im Saatbeet gezogen und dann umgepflanzt? Ist doch viel mehr Arbeit! Dies höre ich oft von den Gästen und da sollte der Reiseleiter eine zufriedenstellende Antwort geben können.

*International Rice Research Institute, Los Banos, Philippinen