Burmesische Marionettenkunst
ist der Titel meiner Dissertation. Eine selbst für meine Verhältnisse ‚schwierige Geburt‘. Es begann mit einer kleinen Prahlerei 1986, mit der ich meine neue Freundin (und spätere langjährige Lebensgefährtin) beeindrucken wollte. Und nahm dann langsam Gestalt ein. In meinem Studium hatte ich mich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Doch das konnte mich nicht abschrecken. Also fragte ich meinen Professor, Herrn Bader, ob er bereit wäre, die Dissertation zu betreuen. Er sagte Ja und ich und ich machte mich an die Arbeit. Ich hatte ja in meinem ersten Buch (1990) schon einen Grundstein gelegt, auf dem ich aufbauen konnte.
Von Beginn stellte sich das Problem, dass das burmesische Marionettentheater nicht sehr viel mit Geographie zu tun hatte. Aber das würde ich schon irgendwie deichseln. Und Prof. Bader sagte zu allem Ja und Amen. Doch dann schlug das Schicksal zu: Mein Professor schlief ganz friedlich ein und wachte nicht mehr auf. Nun war guter Rat teuer. Schließlich erbarmte sich der Kartograph Prof. Freitag meiner. Er hatte lange Zeit in Südostasien gelehrt und insofern einen Bezug zu meinem Thema. Leider war er nicht so offen wie sein Vorgänger und fragte mich dauernd, was das denn alles mit Geographie zu tun habe. Berechtigte Frage. Schließlich erklärte er mir, dass das ganze Konzept der Arbeit verändert werden müsse und unser Fach in den Mittelpunkt zu rücken sei. Nun war guter Rat teuer. Ich reichte mehrere abgeänderte Konzepte ein, aber ihm gefiel keines davon. Irgendwann hatte ich genug – und warf den Bettel hin. Doktorarbeit ade!
Doch dann lernte ich durch einen Freund Prof. Terwiel in Hamburg kennen. Der war Inhaber des Lehrstuhls für Sprachen und Kulturen Thailands und Laos am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg. Und interessierte sich sehr für mein Thema, über das bis dahin noch keiner geforscht hatte. Und so schaffte ich es doch. Im Mai 2000 legte ich das Rigorosum ab. Die Arbeit zog sich aufgrund der oben geschilderten Umstände eine halbe Ewigkeit hin. Ich machte etliche Reisen nach Myanmar und hielt mich längere Zeit in Thailand auf. Denn dorthin wurden die meisten Marionetten exportiert. Sehr wertvoll für mich war die Bekanntschaft mit Puppenspielern und Experten dieser Kunst. Vor allem Dr. Tin Maung Kyi (Mandalay) erwarb sich großes Verdienst und ich profitierte enorm von seinem umfangreichen Wissen. Auch andere Schriftsteller wie mein alter Freund Hla Thamein (Koautor meines ersten Buches), Chit San Win und U Thein Naing waren mir eine große Hilfe. Aber auch die Puppenspieler selbst (allen voran Zawgyi Byan aus Bagan und U Tun Kyi aus Yangon) trugen zum Gelingen der Arbeit bei.
An eine Dissertation werden andere Maßstäbe angelegt als an ein Buch. Die Kapitel über die Geschichte des Marionettentheaters, die Vorstellung und die Figuren wurden wissenschaftlich aufbereitet, die Quellen aufgezeigt und mit Zitaten unterfüttert. Auch konnte ich neuere Entwicklungen im burmesischen Figurentheater in die Arbeit aufnehmen. In deren Mittelpunkt stand eine Untersuchung der Marionetten selbst. Ich kaufte sie bei diversen Herstellern im Lande. Sie wurden exakt beschrieben und vermessen. Diesen neuen Marionetten stellte ich solchen aus der Sammlung des Münchner Völkerkundemuseum gegenüber, die dessen Leiter, Herr Dr. Schermann 1911 auf seiner Reise nach Birma (siehe: Im Stromgebiet des Irrawaddy) erworben hatte. Figuren dieser Qualität hatte ich im Laufe meiner Beschäftigung mit dem Marionettentheater bis auf eine Ausnahme noch nicht gesehen. Das Glossar burmesischer Begriffe (meine Sprachkenntnisse hatten sich mittlerweile verbessert) wurde erweitert. Da mir inzwischen ein brauchbarer Burmesisch-Font zur Verfügung stand, konnten auch die burmesischen Namen in befriedigender Form dargestellt werden. Aufgrund der wenigen Informationen, die zu diesem Thema vorlagen, umfasste das Literaturverzeichnis nur 60 Werke. Dr. Tin Maung Kyi fertigte etliche sehr detaillierte Zeichnungen für mich an. Der Bildteil wurde mit Farbfotos stark erweitert.
Am Ende kam ein Buch heraus, das als Standardwerk für die Bestimmung von Marionetten dienen kann. Mit ihm haben die Sachbearbeiter in Museen die Möglichkeit, die Figuren der eigenen Sammlung zu identifizieren und zu vergleichen.