Die Sprachen Burmas - ein kleiner Exkurs

Myanmar ist ein Vielvölkerstaat, in dem mehr als einhundert ethnische Gruppen leben. Sie sprechen über 121 verschiedene Sprachen! (Angabe: Muturzikin.com). Wobei immer zu beachten ist, dass die Grenzen zwischen Sprachen und Dialekten fließend sind. Diese gehören diversen Sprachfamilien an, die weniger miteinander zu tun haben als Deutsch und Arabisch, um es einmal etwas übertrieben auszudrücken. Hier eine Auflistung: Tibeto-Burmanisch (dazu zählen z. B. die Landessprache Burmesisch, die Karen-Sprachen und andere), Thai-Kadai-Sprachen (Shan ist die bedeutendste unter ihnen) und Mon-Khmer-Sprachen (Mon, Palaung und andere) sind indigen. In der Kolonialzeit wanderten zahlreiche Inder ein, die indogermanische Sprachen, (Hindi usw.) und Dravidasprachen (z. B. Tamil und Telugu) mitbrachten. Auch Chinesen kamen in Scharen und brachten ihre Sprachen mit.

 

Burmesisch ist die Landessprache und dient in allen Schulen als Unterrichtssprache. Es gibt  nicht wenige, die das diskriminierend finden. Aber die Tatsache, dass z. B. ein Chin mit einem Mon in keiner Weise kommunizieren kann, legt eine gemeinsame Verkehrssprache nahe. Und das ist nun einmal Burmesisch, die Sprache der Mehrheit. Ich entsinne mich an ein Erlebnis: Mein Freund Roman Teufel und sein Team hatten einen Film gedreht, in dem unter anderem Palaung aus der Nähe von Kalaw vorkamen. Als er im deutschen Fernsehen ausgestrahlt werden sollte, wurde von dieser Seite der Wunsch geäußert, die Unterhaltung der Palaung-Teepflückerinnen zu übersetzen. Nun war guter Rat teuer: Kalaw liegt ziemlich weit von Yangon entfernt. Und wegen dieser Kleinigkeit dorthin zu fahren, hätte den Rahmen des Vertretbaren etwas gesprengt. Aber ich wusste mir Rat: Ich hatte auf der Anawrahta Street in Downtown Yangon regelmäßig Palaung-Frauen gesehen. Die verkaufen dort Tee und sind anhand ihrer Tracht unschwer zu erkennen. Eine von ihnen sprach ich an und bat sie, mir die Konversation ihrer Stammesgenossen zu übersetzen. Was sie nach einigem Zögern und gegen einen kleinen Obolus dann tat. Sie sah sich die Szene aus dem Film an und sagte mir: „Ich verstehe kein Wort! Das sind Palaung aus Kalaw, ich komme aus Taunggyi!“ – das liegt ungefähr hundert Kilometer weiter östlich …

Viele ‚Gutmeinende‚ (darunter einige mir bekannte Leute mit ansonsten vernünftigen Ansichten) wollen den ‚unterdrückten‘ Minoritäten ‚helfen‘. Sie verlangen, dass die Kinder zumindest in der Grundschule in ihrer Muttersprache unterrichtet werden sollten. Anschließend könnte man dann ja zum Burmesischen übergehen. Wie großzügig! Ich hatte schon erwähnt, dass es im Land über achtzig Sprachen gibt. Einige haben nicht einmal 100.000 Sprecher. Wie stellt man sich das vor? Sollen jetzt in allen Sprachen Lehrbücher und Unterrichtsmaterial für die Grundschule entwickelt werden? Und von wem? Das ist doch hanebüchener Unsinn und wirtschaftlich gar nicht machbar in einem so armen Land. Einmal ganz abgesehen von der Tatsache, dass die überwiegende Zahl der Kinder nicht über die Grundschule hinauskommt. Aus burmesischer Sicht ist das ein Versuch, die Spaltung des Landes zu vertiefen. Und was passiert nun mit solchen Kindern, wenn sie ihre Heimatregion verlassen? Sie können sich nicht mit anderen Einwohnern des Landes verständigen! Die Kraft, die stets das Gute will und das Böse schafft … (Ein ausgezeichneter Artikel der Sprachwissenschaftlerin Dr. Uta Gärtner zu diesem Thema findet sich im Handbuch Myanmar: Wer zählt die Sprachen …)

Sprachkarte Myanmars, Quelle: muturzikin.com