Heilige Männer und Frauen
Nicht wenige Besucher des Landes sind verwirrt, wenn sie die unterschiedlichen, offenbar alle religiös geprägten Personen zu Gesicht bekommen. Solche in brauner Kleidung, andere in Rosa, ganz in Weiß oder in Orange. Mal abgesehen von seltsamen Kopfbedeckungen – was hat das alles zu bedeuten? Zuerst einmal etwas Grundsätzliches: Nicht jede kahl geschorene Person ist ein Mann – die in rosa Roben z. B. sind Nonnen! Kommen wir also zuerst zu dieser – nach den Mönchen – zahlenmäßig größten Gruppe. Nonnen (thilashin) in ihren bonbonfarbenen Roben sind in Myanmar ebenso allgegenwärtig wie die Mönche. Der Buddha selbst stand Frauen eher skeptisch gegenüber. Als der Achtzigjährige von seinem Lieblingsjünger und Neffen Ananda gefragt wurde, wie sich die Mönche ihnen gegenüber verhalten sollten, antwortete er: „Sie nicht ansehen, Ananda!“ – „Aber wenn wir sie sehen, was sollen wir tun?“ – „Nicht mit ihnen sprechen, Ananda!“ – „Wenn sie uns aber ansprechen, Herr, was sollen wir dann tun?“ – „Auf der Hut bleiben, Ananda!“.
Die Gründe für seine Ablehnung von Frauen lagen in bitteren Erfahrungen, die er mit ihnen gemacht hatte. So hatte eine Betrügerin namens Cinca eine Schwangerschaft vorgetäuscht und den Buddha als Vater des vorgeblich erwarteten Kindes bezeichnet. Und seine eigene Gattin Yasodara hatte den gemeinsamen Sohn Rahula vorgeschickt, nach dem Erbteil zu fragen – in den Augen Buddhas bezeichnend für die Weltgebundenheit der Frauen. Zwar hatte der Erleuchtete auf Drängen seiner Tante Pajapati, die ihn aufgezogen hatte, der Gründung eines Frauenordens (bhikkhuni) zugestimmt – aber nur unter der Maßgabe, dass die Nonnen den Mönchen untergeordnet sein sollten. Selbst den Jüngsten – das gilt bis heute!
Darüber hinaus war Buddha davon überzeugt, dadurch die Lebenszeit der Lehre von tausend auf fünfhundert Jahre verkürzt zu haben. Die Ordination von Nonnen wurde in den Theravada-Ländern 456 AD abgeschafft! Diese Frauen müssen nur zehn Gelübde auf sich nehmen – die Mönche hingegen über zweihundertundfünfzig! Und sie gehen aus nahe liegenden Gründen nicht täglich (sondern nur einmal die Woche) auf Almosengang – und dann natürlich in Gruppen. Nichtsdestoweniger sieht man oft Nonnen und solche, die es noch werden wollen, auf den Straßen, wo sie betteln. Wenn man allerdings ein Nonnenkloster besucht, kann man sich manchmal nicht des Eindrucks erwehren, dass sie mit größerem Eifer bei der Sache sind als ihre männlichen Pendants.
Im volkstümlichen Buddhismus Myanmars glauben viele Menschen an sog. ‚vollendete Magier’ (bo do), die eine körperlose Existenz erreicht haben. Die zwei berühmtesten unter ihnen sind Bo Bo Aung und Bo Min Gaung, auch als wei’ zas oder zo gjis bezeichnet. Immer wieder wird von ihrem wunderbaren Erscheinen (siehe Geschichte des Hakenkreuzprinzen!) berichtet. Man glaubt, dass sie in einer geheimnisvollen Welt leben, bis sie nach der Herabkunft des nächsten Buddhas (maitreya) ins Nirvana eingehen. Die zo gjis beginnen als ganz gewöhnliche Alchimisten, von denen es in Myanmar auch heute noch erstaunlich viele gibt. Bis sie den Stein der Weisen gefunden haben, dessen Berührung alles in Gold zu verwandeln vermag. Dann verpuppen sie sich für sieben Tage und danach haben sie ihre erstaunlichen Fähigkeiten vervollkommnet. In dem Drama Byatwi und Byatta, das von der Eroberung Thatons durch Anawrahta handelt, kommt so ein zo gji vor. Sie können fliegen und sich durch die Erde bohren, Tote zum Leben erwecken und die Früchte des thu jaun Baumes in hübsche junge Mädchen verwandeln. Die allerdings nach drei Tagen wieder verderben, sodass man sich eine Neue pflücken muss – schöne Männerfantasie! Zu sehen u. a. im Shweyanbye-Tempel nahe der Stadt Nyaungshwe am Inle-See. Statuen des weiß gekleideten Bo Bo Aung sind auf vielen Stupas und Tempeln anzutreffen. Das Zentrum der Verehrung von Bo Min Gaung liegt am Mt. Popa, wo seine sterbliche Hülle begraben sein soll. Auch heute gibt es noch wei’ zas, siehe am Ende dieses Artikels.
Personen, die ein Gelübde abgelegt haben, tragen oftmals zu dessen Bekundung gegenüber anderen braune Kleidung, manchmal auch mit einer weißen Bluse und/oder mit einer braunen Schärpe. An manchen Orten treten Einsiedler (jathei.) in größerer Zahl auf, so z. B. am Goldenen Felsen und am Mt. Popa. Mit ihrer braunen Robe und ihrer merkwürdigen Kopfbedeckung sind sie ein echter Blickfang, vor allem wenn sie sich in würdevoller Schreitmeditation fortbewegen. Sie verirren sich ab und zu auch in die großen Städte. Diejenigen, mit denen ich gesprochen habe, waren alles einfache Männer, die in ihrem Laienleben Bauern, Arbeiter oder Ähnliches waren, bevor sie die braune Robe der Einsiedler anlegten. Als ich sie fragte, warum sie nicht einem Mönchsorden beigetreten seien, antworteten sie mir, dass ihnen die Ordensdisziplin zu streng sei. Außerdem könnten sie als Mönche keine alchemistischen Experimente mehr machen. Einer von ihnen zeigte mir den von ihm hergestellten Stein der Weisen und er gab an, mit dessen Hilfe fliegen zu können – eine Demonstration blieb er leider schuldig!
Es wäre ein Fehler zu glauben, dass wei‘ zas heute nicht mehr existieren. Es gibt es sie durchaus noch, wie das rechte Foto des U Kaw Wi Da bezeugt.