Von Bigshots, Zockern und Würstchen

Die Expat-Businessgemeinde von Yangon ist bunt gemischt. Es gibt ja nicht wenige Außenstehende, die den Eindruck haben, dass sie vorwiegend aus gescheiterten Existenzen besteht, wie man z. B. dem Artikel ‚Die Zocker von Rangun‘ entnehmen kann, in dem sogar meine Wenigkeit ausführlich gewürdigt wird. Doch halt! Nicht alle Expats sind gleich: Ich z. B. gehöre wie die meisten hier zu den ‚Würstchen‘ bzw. ‚Kleinen Würstchen‘. Wir leben eigentlich nicht schlecht, haben oft eine schöne Villa mit Hauspersonal, arbeiten uns nicht tot und können uns alles leisten, wonach uns (z. B. Reiseunternehmer, Hotelmanager, Computerexperten, Lehrer und was sonst noch) der Sinn steht. Und dann gibt es da die anderen, die Bigshots und die Consultants! Die das gaaaanz grooooße Business machen bzw. machen wollen – denn meist wird nichts daraus. Da war z. B. der Wolf (übrigens ein Mitglied der Bagdad-Connection). Vor langer Zeit nahm er mich in leicht angetrunkenem Zustand mal zur Seite und vertraute mir Folgendes an: „Sachma, du bist doch eigentlich gar nicht so blöd, hast du nicht sogar einen Doktor? Also, ich weiß gar nicht, warum du hier so ein Peanut-Business machst! Du hast doch das Zeug zu mehr! Kuckma, ich drehe hier das ganz große Rad: Das dauert zwar ein bisschen länger, aber dann habe ich auch ein paar Milliönchen im Sack! Dollars, nicht Kyat! Wollen wir nicht was zusammen machen? Du kannst bei mir einsteigen!“. Ja, solche Geschäfte wie der Wolf würden wir alle gern machen, aber dafür haben wir als Würstchen einfach nicht das Format. Der spielt in einer anderen Liga! Muss man auch mal neidlos anerkennen.

 

Jeder weiß, dass die Eisenbahnverbindung von Yangon nach Mandalay eine einzige Katastrophe ist, die staatliche Myanmar Railways hin, die private Dagon-Mann her: 700 Kilometer in 18 Stunden – wenn alles gut geht. Da muss man doch was machen! Da müssen echte Kerle ran, die klotzen, nicht kleckern – das überlassen sie gern den Würstchen. Letztere würden vielleicht – wenn sie überhaupt die Chance dazu bekämen – ein paar neue Waggons anschaffen, die maroden Schienen reparieren oder schnellere Dieselloks einsetzen. Höchstens noch die Strecke elektrifizieren, obwohl es selbst dafür nicht mal reicht bei deren beschränktem Horizont. 

Aber das ist doch wieder peanut business: Nein, was das Land wirklich braucht, ist eine Magnetschwebebahn! Die würde nicht nur die Fahrzeit auf zwei Stunden reduzieren, sondern auch den wünschenswerten Nebeneffekt haben, dass keine Kühe oder Ziegen mehr die Strecke blockieren. Obwohl ich mir nicht sicher bin, dass die burmesischen Geißen da wirklich nicht hochkommen, die können echt gut klettern. So, und dann wird eine Strecke in eine Landkarte eingezeichnet, die Haltestellen konzipiert (sagen wir mal Bago, Toungoo, Naypyidaw und Meiktila) und anschließend geht man mit dem Plan zum Ministerium. Bevorzugt zu General Unable, dem einzigen Christen in der Generalität. Die Finanzierung übernimmt natürlich ein ausländischer Investor, der sich dafür das Recht sichert, Reklametafeln an der Bahnlinie aufstellen zu dürfen oder die Bahnhofsklos zu pachten.

Ja, und dann erzählt man in der Kneipe von dem Projekt und irgendwann hat sich mal ‘rumgesprochen, dass die Bauarbeiten demnächst beginnen. Nun wird es Zeit, die Betriebsrechte für die Läden und Restaurants in den Bahnhöfen zu verscherbeln. Und je mehr davon erzählt wird, desto konkreter wird das – 

die Buschtrommel funktioniert hierzulande wahrscheinlich so gut wie nirgendwo anders auf der Welt! Und das beste: die Synergien! Die Waggons werden natürlich im Lande gebaut, das gibt nebenbei noch einen technologischen Schub, welcher der zukünftigen ‚Atommacht’* gut zu Gesicht steht. Manchmal gelingt es den Bigshots tatsächlich, irgendwelche ausländischen Investoren für das Projekt zu interessieren, dann ist schon mal ein Bauherr gefunden. Mittlerweile sind die Grundstückpreise an der geplanten Trasse in die Höhe geschossen – jetzt geht es endlich los mit dem großen Geldverdienen: „Goodbye Jatropha, hello Magnetschwebebahn!“. Einer der Zocker von Yangon sagte mir beim Skat mal ganz fassungslos: „Kannst Du Dir vorstellen, dass meine eigene Firma bei mir anfragt wegen dieses Projektes? Der Spinner hat es tatsächlich geschafft, denen einen Floh ins Ohr zu setzen!“. Damit war allerdings Wolfs Tarnung aufgeflogen, denn als klar wurde, dass kein anderer als er dahinter steckte, war das Projekt am Ende! 

*Myanmar (https://www.spiegel.de/politik/ausland/kooperation-mit-nordkorea-ueberlaeufer-berichten-von-burmesischen-atomplaenen-a-640307.html)