Frauen und Männer

Die burmesischen Männer haben es nicht leicht und dazu einen schlechten Ruf. J. NEHRU bemerkte kritisch: The freedom and energy of the Burmese women charmed me just as the indolence of the men pained me. Ich denke, hier lohnt es sich, einmal nach den Gründen zu fragen. Könnte es sein, dass die burmesischen Männer als Folge der Kolonisierung ihre traditionelle Rolle als Beschützer der Familie 

nicht  mehr ausfüllen konnten? Durch die Niederlagen in den anglo-burmesischen Kriegen klar geworden war, dass sie es nicht vermochten. Dies hat sicher nicht dazu beigetragen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sie ergaben sich dem Trunk und dem Nichtstun – oder schlossen sich den zahllosen rebellierenden Gruppen bzw. marodierenden Dacoits an.       

Alice SCHALEK (In Buddhas Land, 1922) weiß nur Gutes über ihre Geschlechtsgenossinnen zu berichten: Die Birmanin, Mädchen oder Frau, ist beinahe freier als die Europäerin. Sie sitzt im Laden, im Gemüsestand … Sie studiert und sie handelt. Der Mann ist zu all dem zu faul …. Dabei sind diese Burschen keine Kinder von Traurigkeit und fordern von ihren Bettgenossinnen schauerliche Sachen, wie die Autorin zu berichten weiß:  … welche weiße Frau (die nicht geschlechtlich einen Stich hat) gäbe sich zu den Ausschreitungen und Undenkbarkeiten hin, die farbige Männer als selbstverständlich verlangen und die so viele böse Krankheiten nach sich ziehen? Aber die Birmanin hat vermutlich sogar noch Spaß daran…

Emmy BERNATZIK (Die Geister der gelben Blätter) schließt sich dem Urteil an: Die birmanische Frau, so zierlich und hübsch sie auch aussieht, ist wegen ihrer Intelligenz und Geschäftstüchtigkeit bekannt. Sie verwaltet meist das Familienvermögen und verfügt auch über das Einkommen des Mannes, der meist nur ein kleines Taschengeld erhält. In vielen mir bekannten Familien kassiert die Frau/Mutter nicht nur das Geld ihres Mannes; nein, auch die Kinder liefern ihren Lohn ab und bekommen von Mutti ein Taschengeld.

 

Woran liegt das? Burma ist nicht Thailand aber dort liegen die Verhältnisse ähnlich. Eine Analyse zur Rolle der Frau in seinem Land versuchte Dr. YOS SANTASOMBAT (in Hello my big honey, Bangkok 1992, White Lotus). Er schreibt (S. 22f.): It is well known and I think most Thai men will not admit this, but I do, that the majority or a great number of Thai men are quite irresponsible as compared to women. And it has a historical explanation to this. The Thai family is a female-centered system, so it consists of women who are always there, from the grandmother to the mother to the daughter.

Nun muss ich hier aber wirklich mal eine Lanze für die burmesischen Männer brechen! Und damit stehe ich nicht allein. Auch Harold FIELDING HALL bestätigt in seinem Buch The Soul of a people (erschienen 1914) die Selbstständigkeit der Landestöchter. Zwar träfe es zu, dass sie im Kleinhandel eine wichtige Rolle spielen. Doch damit hat es sich schon. Er bezeichnet sie ‚penny-wise and pound-foolish‘. Auf Deutsch nennt man das ‚Sparen am falschen Ende‘!

Nach meiner Erfahrung sind die Männer in der Regel gebildeter als Frauen! Was vielleicht damit zusammen hängt, dass die Alphabetisierungsrate der Jungen höher ist als die der Mädchen. So habe ich in meinem Bekanntenkreis oft erlebt, dass Männer in der Regel mehr beitragen können als die Frauen, wenn es um komplexere Themen geht. Und Letztere akzeptieren diese Sachlage auch ohne Murren. Das geheimnisvolle hpoun:, aus dem die Überlegenheit der Männer sich speist, wird – zumindest offen – von keiner Frau in Frage gestellt. Das Myanmar-Wörterbuch übersetzt den Begriff wie folgt: power, glory, influence sowie cumulative result of past meritorious deeds.

Hinweisschilder wie oben abgebildet gibt es in zahlreichen religiösen Stätten des Landes. Manche davon richtig originell: NOT ALLOWED TO ENTER LADIES! Oder schlimmer!   

Sehr oft wird (besonders gern von weiblichen Ausländern!) die Frage diskutiert, warum Frauen im Buddhismus ‚benachteiligt‘ werden. Ich habe Kundinnen erlebt, die aus ‚Solidarität‘ mit ihren unterdrückten burmesischen Schwestern solche Gebote bewusst verletzen. Ich denke nicht, dass das bei den Burmesinnen gut ankommt. Frauen sind m. W. in fast allen Religionen nicht den Männern gleichgestellt (Christentum, Islam, Hinduismus usw.). Ich halte es für müßig, darüber zu diskutieren. 

Der Buddha selbst hat lange gezögert, bevor er – auf Bitten seiner Tante Pajapati und seines Vetters Ananda – Frauen (Bhikkuni) in seinen Orden aufnahm. Sie schienen ihm zu sehr auf das Weltliche fixiert. Er tat es unter der Voraussetzung, dass die Nonnen selbst dem geringsten Mönch untertan zu sein hätten. Die Ordination von Frauen wurde später wieder abgeschafft. Im modernen Theravada-Buddhismus gibt es – erfolgreiche – Bestrebungen, sie wieder aufzunehmen. In Myanmar ist das m. W. noch nicht der Fall.  

 

Ladies are not allowed - aufgenommen im Shwe Myaezu-Tempel, Indawgyi Lake
Lokanath

Im Buddhismus wird oft die Frage erörtert, ob Frauen erlösungsfähig sind, d. h. aus dem Kreislauf der Wiedergeburten ausscheiden können. Oder ob sie erst einmal als Männer wiedergeboren werden müssen. Dazu gibt es verschiedene Meinungen: So weit ich das beurteilen kann, bestreiten viele orthodoxe Buddhisten die Erlösungsfähigkeit der Frau. Einigkeit besteht jedoch darin, dass sie weder Buddhas noch Bodhisattas (Erleuchtungswesen, die darauf verzichtet haben, um anderen zur Erlösung zu verhelfen) werden können. Letztere spielen im Mahayana-Buddhismus (Lehre vom Großen Fahrzeug) eine zentrale Rolle. Im Theravada-Buddhismus (Lehre der Älteren, auch Kleines Fahrzeug genannt), der in Myanmar und Südasien dominiert, sind sie nicht relevant. Ihnen am nächsten kommt noch Lokanath, was man vielleicht am besten mit ‚Weltenwächter‘ übersetzen könnte. Sein Abbild ist in Myanmar oft zu sehen. Einige Bodhisattas haben als Nothelfer Eingang in den theravada-buddhistischen Volksglauben gefunden. Der wichtigste unter ihnen ist zweifellos Avalokiteshvara, der ‚Herr, der gütig auf die Welt herabschaut‘ – und das ausgerechnet in seiner aus China stammenden weiblichen Form als Kuanyin (in Japan als Kannon bekannt). Der Kult der Kuanyin (burm.: Guanyin Maedaw) kam vermutlich durch chinesische Einwanderer ins Land. 

Kuanyin Maedaw in einem chinesichen Tempel in Pyin OO Lwin