Anade und die Umwelt

Müllmanagement in einem burmesischen Dorf

Anade bezeichnet – wie oben beschrieben – die Kultur des zwischenmenschlichen Umgangs in Myanmar. Sie folgt einem uralten Muster, das auf der Dorfebene basiert. In Großstädten oder gar Millionenstädten stößt sie schnell an ihre Grenzen. An die Stelle der überschaubaren sozialen Struktur des Dorfes tritt die Anonymität der großen Stadt. Damit entfällt auch die gesellschaftliche Kontrolle des Umfeldes, in dem jeder jeden kennt und abweichendes Verhalten unmittelbar geahndet wird. Zudem war es auf dem Dorf so, dass der herumliegende Abfall fast ausschließlich organisch war und zu einem großen Teil vom Vieh gefressen wurde. Was in der Stadt nicht mehr der Fall ist. Je mehr Einwohner dort leben, desto gravierender die Probleme, könnte man als Faustregel sagen. Die Auswirkungen zeigen sich für die Besucher des Landes vor allem in zwei Bereichen. Zum einen in der Umweltproblematik und zum anderen – vor allem in Yangon – auf dem Gebiet des Autoverkehrs.

BEKKER schreibt dazu:  ‚Disposal of waste in the overcrowded conditions of the city suddenly becomes a nuisance to the neighbors and creates a situation in which anade might be expected to operate. However, since appropriate behavior has not been defined by custom, it is often not recognized as such by individuals otherwise sensitive to their neighbors feelings. 

Myanmar gilt gemeinhin nicht als sauberes Land – obwohl man sagen muss, dass sich hierzulande in den letzten zwanzig Jahren auch auf diesem Gebiet einiges getan hat. Ganz abgesehen von den 20er Jahren. Lassen wir Hannah ASCH (Birmanische Tage und Nächte) berichten: Sie beschreibt Rangun als ‚eine der schmutzigsten Städte der Erde‘ und weiß zu berichten, dass es dort prozentual die größte Menge von Müll unter allen Städten der Erde gibt – Burma, Land der Rekorde! Auf diesen dreckigen Straßen ‚spielt sich das ganze Leben der meisten farbigen Bewohner ab. Sie kochen, essen, schlafen auf der Straße … Am Straßenrand sitzen die Familienmitglieder und suchen sich gegenseitig die Läuse aus den fettigen schwarzen Haaren. Oft bleiben Menschen, wenn sie erkranken, einfach auf der Straße sitzen; Pest, Pocken, Cholera mögen die Folge davon sein. Sie sterben auf der Straße und bleiben liegen, bis sie weggeholt werden, vielleicht von der Städtischen Müllabfuhr. … Viele kleine Garküchen stehen neben den Gräben, in denen die Eingeborenen mit ihren schmutzigen Händen die sonderbarsten Gerichte zusammen manschen, schmoren und kochen. Und überall wird von jedem Inder, jedem Birmanen der wie Blut aussehende schleimige Saft ausgespuckt, den sie infolge der Gewohnheit des Betelkauens von sich geben‘. 

Bitte helfen Sie uns, den Waggon sauber zu halten
Wenn Sie den Abfall nach dem Essen auf den Boden werfen, zeigen Sie, wes Geistes Kind Sie sind
Werfen Sie ihren Abfall zum Fenster hinaus!

Dazu sei gesagt, dass zu Hannah ASCHs Zeiten vielleicht eine Viertelmillion Menschen in der Stadt lebten. Heute sind es zwanzigmal so viel… So schlimm wie damals war es fünfzig Jahre später, als ich zum ersten Mal das Land besuchte, nicht mehr. Aber es war erheblich schmutziger als heute. Die meisten Burmesen scheren sich nicht viel um Müll. Sie sind – wie viele andere Bewohner Asiens – scheinbar immun gegen Lärm, schlechte Gerüche und halt auch den unschönen Anblick von wilden Müllhalden. Die drei Fotos oben nahm ich im 144 dn train von Shwenyaung nach Kalaw auf.  Als ich bei einem Reiseleiter-Lehrgang einmal das Thema ansprach, hatte ich den  

Eindruck, dass man nicht verstand, was ich meinte – es sei doch gar nicht so schlimm hier, wurde mir bedeutet. Zufällig wurden zwei der Lehrgangsteilnehmerinnen von Gästen in die Schweiz eingeladen. Als sie zurückkamen, nahm mich die eine bei einem Treffen beiseite und sagte mir, dass sie jetzt wisse, was ich meinte. Sie habe ja nie zuvor ein sauberes Land gesehen. Daher sei ihr der Dreck daheim gar nicht aufgefallen … Eine andere meiner Reiseleiterinnen hielt sich drei Monate in Deutschland und der Schweiz auf. Als ich sie bat, ihre Eindrücke in ein paar Worten zusammenzufassen, sagte sie: ‚Alles sauber und alles verboten!‘ – wie wahr …