Birma und seine Frauenwelt

So lautet der Untertitel des 1922 von Lucian und Christine SCHERMAN herausgegebenen Buches Im Stromgebiet des Irrawaddy, in dem sie die Ergebnisse ihrer Forschungsreise durch Vorder- und Hinterindien in den Jahren 1910/11 veröffentlichten. Sie bemerkten schon bald, dass Sorglosigkeit und unverwüstlicher Frohsinn prägende Charakterzüge der Birmanen sind, und der Autor die Birmanin nicht eigentlich als Schönheit gelten lassen will, so teilt er jedoch die Meinung anderer Reisender, die die birmanischen Frauen als ‚Rückgrat des Landes’ bezeichnen. Bei der Wahl ihres Ehegatten hat sie viel persönliche Freiheit und Spielraum. Dasselbe gilt für die Scheidung. Sie ist dem Manne rechtlich gleichgestellt, wird zur Beratung öffentlicher Angelegenheiten hinzugezogen und darf rechtsgültige Verträge schließen. Nur in religiöser Hinsicht stehen sie den Männern etwas nach, was sie aber fröhlich akzeptieren, denn ansonsten kontrollieren sie fast alle Bereiche des Landes. Ja, so ist sie, die Birmanin, und die Einschätzung SCHERMANs hat bis heute an Gültigkeit nicht verloren. 

Ihre Kollegin Alma M. KARLIN nennt in ihrem Buch Im Banne der Südsee. Als Frau allein unter Pflanzern und Menschenfressern, Sträflingen, Matrosen und Missionaren (man beachte die Zusammenstellung!) die Birmaninnen ‚… die glücklichsten und freiesten Frauen des Ostens, behalten alleine, was sie verdienen, und dürfen sich ihren Mann selbst wählen’ – gern auch einen Chinesen angesichts der von Frau SCHALEK (s. o.) konstatierten Charaktermängel birmanischer Männer …

Hannah ASCH reiste in den 20er-Jahren mutterseelenallein durch British Burma und hat ihre Erlebnisse unter dem Titel Birmanische Tage und Nächte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch sie stimmt in das Lob der birmanischen Frau ein: Jeder Fremde ist von der birmanischen Frau entzückt, in sie verliebt, möchte man

sagen. Man muss nur die Herren der Schöpfung, die Birma besucht haben, von ihr erzählen hören, von ihrer Fröhlichkeit, ihrer Liebenswürdigkeit und – ihrem Entgegenkommen. Das Lob von Männern verschiedenster Nationen und Altersstufe, denen ich begegnete, war einstimmig. Was die Männer schwärmend rühmen, kann ich als Frau natürlich nicht alles nachprüfen – schade für Hannah ASCH.

Frau Emmy BERNATZIK (s. o.), scheint die Birmaninnen sogar etwas zu beneiden: Sie ist zierlich, kokett, hellhäutigund Die Gesichtshaut ist so glatt, dass sie manche Europäerin darum beneiden würde.

Wenn Menschen aus dem Westen zum ersten Mal mit den Frauen Südostasiens konfrontiert werden, glauben sie oft, liebe kleine Mädchen vor sich zu haben. Die sich nichts sehnlicher wünschen, als den Männern zu Füßen zu liegen und zu dienen. Dieser Eindruck trifft absolut nicht zu! Am besten kann man den Charakter jener Frauen mit der abgegriffenen Formel von der eisernen Faust im Samthandschuh beschreiben. Diese lieblichen kleinen Wesen wissen genau, was sie wollen – und wie sie es erreichen können. Unter den Frauen der buddhistischen Länder Südostasiens galten die Burmesinnen von jeher als die am weitesten emanzipierten, die völlige Gleichberechtigung besaßen – sehr zur Verwunderung der frühen europäischen Reisenden. In den islamischen Gesellschaften der Region liegen die Verhältnisse etwas anders, aber auch da lassen sich die Damen nicht die Butter vom Brot nehmen! Als ich eines Tages einmal aus dem Fenster meines Büros auf die belebte Straße schaute, sah ich einen Mann im Longyi (trad. Wickelrock) Hand in Hand mit einem Mädchen in Bluejeans vorbeigehen. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich hier ein Sinnbild der Verhältnisse im Lande vor Augen hatte: Die Frauen haben die Hosen an … Allerdings ist hier vor Verallgemeinerungen zu warnen. Ich kenne auch Familien, in denen die Männer das Sagen haben.