Die fünf Feinde

Bei uns nennt man es ‚höhere Gewalt‘, die Engländer sprechen von einem ‚act of god‘, aber die Burmesen bezeichnen es als ‚Die fünf Feinde‘. Auf jedem Vertrag, ob man nun eine Waschmaschine oder ein Auto kauft, steht unten klein gedruckt: jan dhu mjou: nga: ba: antajeko tawun majuba!: Von den fünf Feinden ausgehende Gefahren sind nicht durch den Verkäufer abgedeckt! …? Was sind denn das nun für Risiken, die da drohen? Da haben wir zuerst einmal

Nach der Flutkatastrophe Nargis im Delta, 2008

WASSER, d. h. hierzulande in der Regel Überflutungen und Hochwasserkatastrophen – das scheint die größte Bedrohung zu sein. Wobei man das in Myanmar sehr entspannt sieht. Mein früheres Haus in Yangon liegt an einem Fluss, der vor allem in der Regenzeit (bevorzugt bei Vollmond) stark anschwillt. Ich hatte meinen Gärtner des Öfteren aufgefordert, ein paar Sandsäcke zu besorgen – für den Fall der Fälle. Und was sagte er? „Nicht nötig, das Hausmädchen der Nachbarin hat gesagt, dass der Fluss noch nie über sein Ufer getreten ist!“ Eines Tages jedoch war es so weit: Der Fluss widerlegte das Hausmädchen, stieg übers Ufer und innerhalb kurzer Zeit stand das Wasser 60 cm hoch im Wohnhaus meines Hausmädchens und ihrer Familie. Mein eigenes Haus liegt etwas höher und blieb zum Glück verschont. Und was tat nun die betroffene Familie? Riefen sie die Feuerwehr? Weinten sie! Nein! Sie stellten die elektrischen Geräte wie Kühlschrank, Fernseher usw. auf die Betten und während die Eltern Tee tranken und quatschten, planschten die Kinder im Wasser. Als die Ebbe kam, zog sich der Fluss zurück und dann wurde aufgeräumt. Das war’s.    

 

An zweiter Stelle steht das FEUER: Feuersbrünste haben schon ganze Städte verzehrt und konsequenterweise landen die Personen, von deren Haus es ausging, erst einmal im Gefängnis. Daher ziehen es die Burmesen vor, NICHT die Feuerwehr zu rufen, wenn es brennt. Ein Freund erzählte mir vom großen Brand in Mandalay 1981: Sein Elternhaus (und 6.000 weitere) wurden vernichtet. 36.000 Menschen verloren all ihr Hab und Gut. Das Feuer wurde ausgelöst von einem Schwarzhändler, der mit einer Kerze (!) prüfen wollte, wie viel Benzin noch in einem Fass war. Er war das einzige Todesopfer. …

Feuerwehrmann in Pyin Oo Lwin
Regierung - das sprichwörtliche Fass ohne Boden (oben links)

Nummer drei ist der KÖNIG, dessen Stelle in modernen Zeiten die Regierung einnimmt. Hier wird klar, dass die Burmesen die Staatsgewalt und ihre Handlanger nicht als Ansprechpartner im Gefahrenfall oder ‚Dienstleister‘ betrachten. Sondern als eine der schlimmsten Gefahren für die Menschen. Wer einmal mit der burmesischen Bürokratie zu tun hatte, der weiß, warum! Genau so wenig, wie man die Feuerwehr ruft, wenn es brennt, holt man bei einem Verkehrsunfall die Polizei. Das wird teuer. Daher regelt man das lieber unter sich … 

DIEBE sind die vierte Gefahr. Wer zum ersten Mal nach Myanmar kommt, kann leicht den Eindruck gewinnen, dass er sich in einen völlig gesetzlosen, wahnsinnig gefährlichen Land befindet. Mauern mit Glasscherben und Stacheldraht sind eher die Regel als die Ausnahme. Ich habe in den 25 Jahren, die ich hier lebe, schon viele Häuser bewohnt. Aber noch keines, dessen Fenster nicht vergittert waren. 

Wenn man durch die Straßen fährt, sieht man sehr häufig vergitterte Balkone – selbst im vierten Stock. Nun könnte man vielleicht annehmen, dass diese die Bewohner (Kinder!?!) vor einem Sturz über die Balkonbrüstung bewahren sollen, aber das glaube ich nicht. Es ist dieselbe Angst vor Dieben und Einbrechern, die auch die Mauerbauer antreibt. Könnte sich nicht ein Halunke vom Dach herabseilen und einbrechen? Man muss auf alles gefasst sein. Und so lebt man dann wie im Gefängnis, aber man ist wenigstens sicher! …

Blick aus meinem Fenster
Ko: la hala. - das Gerücht

Die fünfte Gefahr sind ÜBLE NACHREDE UND MISSGUNST. Macht ja auch so viel Spaß, über andere herzuziehen und ihnen das zu neiden, was sie besitzen. Selbstverständlich wird sich jeder Burmese empören, wenn ein Ausländer behauptet, dass der Neid hierzulande weit verbreitet sei – was scheinbar so gar nicht zu den netten Bewohnern Myanmars passen will. …

War also vielleicht der Burmese Way to Socialism gar nicht die schlechteste Gesellschaftsform für die burmesische Gesellschaft? Denn da waren alle gleich arm und wer etwas hatte, hütete sich, andere davon wissen zu lassen. Aus Angst, dass man es ihm sofort wegnehmen würde. Die emsigen Zuwanderer aus Indien und China, die es oft zu Wohlstand, ja sogar Reichtum gebracht haben, sind vielen Burmesen ein Dorn im Auge. Ein Gefühl, das von einigen einheimischen Völkern Südostasiens geteilt wird. Nach allgemeiner Meinung haben die Fremden das, was sie besitzen, unrechtmäßig erworben. Wenn nicht sogar den Einheimischen gestohlen. Dass dieser Besitz ohne den Fleiß der Fremden gar nicht existieren würde, ist ihnen egal! …