Die Völker Burmas

Myanmar ist ein Vielvölkerstaat. Über die Anzahl der dort lebenden Völker kann man lange diskutieren. Es sind wohl über einhundertzwanzig, die mehr als achtzig verschiedene Sprachen sprechen. Das Mehrheitsvolk der Burmesen (Eigenbezeichnung: Bamar) stellt etwa zwei Drittel der knapp über fünfzig Millionen Einwohner des Landes. Der ‚Rest‘ verteilt sich auf besagte Ethnien. Die größten unter ihnen wurden von der Post anlässlich des 52. Jahrestages der Gründung des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN mit Briefmarken (siehe Foto) gewürdigt. Nachstehende Aufzählung folgt dem burmesischen Alphabet:

Die Kachin leben im Norden des Landes in dem nach ihrer Volksgruppe benannten Staat. Sie stellen etwa 2 % der Einwohner Myanmars. Die Kachin-Federation zerfällt in mehrere Stämme, unter denen die Jinghpo dominieren. Deren Sprache dient als Umgangssprache. Die überwiegende Anzahl der Kachin bekennt sich zur christlichen Religion. Viele Angehörige dieser Stammesgruppe leben in China. In ‚ihrem‘ Staat stellen sie ca. ein Drittel der Bevölkerung, der Rest setzt sich aus Bamar, Shan und vielen anderen Gruppen zusammen.  

 

Die Kayah (auch Karen-ni = Rote Karen genannt), bewohnen den gleichnamigen Staat.  Sie sind eine vergleichsweise kleine Ethnie, der ganze Kayah-Staat hat nicht einmal eine Viertelmillion Einwohner. Davon sind ca. 43 % Kayah, die wiederum in zehn Untergruppen gegliedert werden. Neben den Kayah selbst sind die Kayan (oft auch Padaung genannt) eine der größeren Volksgruppen. Deren Frauen werden dümmlicherweise als Giraffenfrauen bezeichnet. Sie hängen überwiegend christlichen Religionen an, desgleichen fast die Hälfte der Einwohner des Kayah-States. Die Buddhisten stellen die knappe Mehrheit. 

Die Kayin (Karen) zählen vier Millionen Seelen und sind damit nach den Bamar und den Shan (s. u.) die größte Bevölkerungsgruppe (7 – 8 % der Gesamtbevölkerung). Auch sie zerfallen in mehrere Untergruppen, von denen die Sgaw, Pwo und Bwe die wichtigsten sind. Die Pa-O, die am Inle-See leben, gehören ebenfalls zu dieser Gruppe, desgleichen die Kayah (s. o.). Ihr wichtigstes Siedlungsgebiet ist der im Südosten Myanmars gelegene Karen-Staat, aber auch im Delta des Ayeyarwady siedeln viele Kayin, die sich weitgehend an die dort dominanten Bamar assimiliert haben.  Die einzelnen Gruppen sprechen unterschiedliche Sprachen und können nicht miteinander kommunizieren. Daher sind sie – sehr zu ihrem Unwillen – oft gezwungen, sich auf Burmesisch zu verständigen. Die Mehrheit der Karen ist christlichen Glaubens, aber es gibt auch viele Buddhisten unter ihnen.  

Die Chin bewohnen den Westen des Landes, eine unwirtliche Gebirgslandschaft, die im Mittel über 2.000 m liegt. Darüber hinaus sind sie in der Region Sagaing stark vertreten. Die Mehrzahl des Volkes lebt in Indien, wo sie unter verschiedenen Namen (Mizo usw.) bekannt sind. Der Chin State selbst hat etwa eine halbe Million Einwohner. Insgesamt leben in Myanmar etwas 1.5 Millionen Chin, womit sie ca. 3 % der Bevölkerung des Landes ausmachen. Bei ihnen ist die sprachliche Zersplitterung besonders stark. Man geht davon aus, dass sie etwa 30 verschiedene Sprachen sprechen. 

 

Sprachkarte Burma/Myanmar

Die Bamar (Burmesen, Birmanen) stellen etwa zwei Drittel der Bevölkerung Myanmars. Sie sind fast ausnahmslos Buddhisten (To be a Burmese is to be a Buddhist!) und leben überwiegend in den großen Flussebenen des Landes. Mehr zu ihnen im Folgenden. 

Etwa 4.5 % der Bevölkerung Myanmars zählen zu den Rakhine (Arakanesen). Sie leben im Westen des Landes (Rakhine oder Arakan State) und sind Buddhisten. Ihre Sprache ist ein Dialekt des Burmesischen. Auch sie haben eine lange staatliche Tradition, die ebenso wie die der Mon im 18. Jahrhundert durch die Burmesen beendet wurde. Unabhängigkeitsbestrebungen bestehen bis heute. Im Rakhine State siedeln auch zahlreiche moslemische Bengalen, die sich selbst als Rohingyas bezeichnen. Der Konflikt zwischen der buddhistischen Mehrheit und der moslemischen Minderheit hat in den letzten Jahren zu großen Problemen geführt, deren Lösung noch fern liegt.   

Die Shan schließlich sind nach den Burmesen die größte Ethnie. Etwa 9 % der Bevölkerung gehören dieser Gruppe an, die ebenfalls in zahlreiche Untergruppen zerfällt. Die Mehrheit dieses Volkes lebt im Shan State, dem größten Unionsstaat, aber sie siedeln auch in anderen Gebieten Myanmars, so z. B. im Kachin State. Sie sind Buddhisten und nennen sich selbst Tai Yai (die großen Thai). Sie können sich offenbar problemlos in der Staatssprache des Nachbarlandes unterhalten.

Eine hier ungenannt bleibende deutsche Autorin veröffentlichte 1981 einen Burma-Reiseführer, der mir zahllose unterhaltsame Stunden bescherte. Das Bändchen war von keinerlei Sachkenntnis getrübt und ein echtes Juwel unter seinesgleichen. Darin erfährt der Leser viel Wissenswertes über die diversen Völkerschaften des Landes: ‚Die Kachin sind kleine, sehnige Gestalten mit breiten Gesichtern. Die Männer erreichen eine Körpergröße von 1,60 m, die Frauen von 1,50 m. Die Hautfarbe ist hellbraun bis fast schwarz. Ihre Nase kann schmal oder breit sein.‚ (Ende Zitat). Also, wer jetzt nicht in der Lage ist, einen Kachin zweifelsfrei zu identifizieren, der sollte sich was schämen! Oder die Chin: ‚Die Gesichter der Frauen sind oft tätowiert. Die Chin sind als starke Alkoholiker bekannt.‘ Andere Mängel weisen die Karen auf: ‚ …  gelten als ein kriegerisches und humorloses Volk. Sie haben einen gedrungenen Körperbau, sind klein und hellhäutig.‘ Dann schon lieber ein Shan: ‚Vielweiberei ist erlaubt. Die Shan haben einen ausgeprägten mongoloiden Gesichtsschnitt und eine helle Hautfarbe. Sie sind kräftiger und kleiner als die Birmanen … und gelten als gutmütig und heiter, sind bescheidener und weniger vergnügungssüchtig, arbeitsamer und zuverlässiger als die Birmanen.‘ Na also, geht doch! 

Die Mon stellen ca. 2.5 % der Bevölkerung Myanmars. Sie leben vor allem im Südosten des Landes (Mon State und Umgebung) und sind diejenigen, die als Erste in der Region den Buddhismus angenommen haben. Das Volk hat eine lange staatliche Tradition, die erst mit der Eroberung durch das dritte burmesische Reich (Mitte des 18. Jahrhunderts) ein Ende fand. 

Unabhängigkeitsbestrebungen: Es gab und gibt in einigen der sieben Unionsstaaten Bestrebungen zur Eigenstaatlichkeit. Sie basieren nicht zuletzt darauf, dass im Abkommen von Panglong (1947) festgelegt wurde, dass zehn Jahre nach der Unabhängigkeit Myanmars (1948) die Bevölkerung der Bundesstaaten in einem Plebiszit darüber entscheiden könne, ob sie bei der Union von Burma verbleiben wolle oder nicht. Mir liegen Zahlen der Bevölkerungsstatistik von 1992* vor, in denen das Problem der starken ethnischen Durchmischung in den Unionsstaaten deutlich wird. So betrug der Anteil der Shan an der Bevölkerung ‚ihres‘ Staates seinerzeit 38.6 %. Die zweitgrößte Ethnie waren die Bamar mit 11.6 %, gefolgt von den Pa-O (Karen-Gruppe) mit 10.6 %. Das bedeutet, dass im Falle einer Unabhängigkeit des Shan States das namensgebende Volk etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung stellen würde. Wodurch Probleme vermutlich vorprogrammiert wären.  Ähnlich sieht es in drei anderen Bundesstaaten aus. Nur im Chin State (93 %), Rakhine State (68 %) und im Kayin State (51 %) stellt die namensgebende Ethnie mehr als 50 % der Bevölkerung des Bundesstaates.   

*WPD, U Aung Toe – Eröffnungsrede Nat’l Convention, Bezug auf Bevölkerungsstatistik 03/92

Neben den Genannten existieren, wie gesagt, noch zahlreiche andere indigene Ethnien, deren Auflistung hier den Rahmen sprengen würde.  Während der Kolonialzeit wanderten Millionen von Indern ein, die beträchtliche Teile der Wirtschaft des Landes kontrollierten. Ihr Einfluss wurde nach der Unabhängigkeit mehr und mehr zurückgedrängt und so verließen viele Burma. Heute sind sie nur noch eine kleine Minderheit, wenn sie auch in den großen Städten weiterhin sehr präsent sind. Daneben wanderten zahlreiche Chinesen ein. Im Gegensatz zu den Indern hält deren Einwanderung an. Vor allem die nördliche Wirtschaftsmetropole Mandalay wird von ihnen geprägt. Die Zahl der früher sehr einflussreichen Anglo-Burmesen hat stark abgenommen, viele von ihnen sind ausgewandert.