Essen - die nationale Leidenschaft

Hungergeister - Darstellung aus Ladakh

Die Bedeutung, die das Essen für die Bewohner Myanmars einnimmt, kann keinesfalls überschätzt werden. Nicht umsonst heißt die übliche Begrüßung zu jeder Tageszeit: „Hast Du schon Reis gegessen?“ Den von Ausländern gern benutzten Gruß Mingalaba hört man dagegen eher selten. An Sonntagen hatte der Chronist manchmal Gelegenheit, bei seinen Hausangestellten ein bisschen Mäuschen zu spielen und sich anzuschauen, wie das burmesische Leben so abläuft. Der erste Weg am Morgen führt zum Markt, um Essen einzukaufen. Wenn nicht gerade gekocht wird, isst man oder wäscht ab. Ansonsten redet man darüber, was es gleich zu Essen gibt oder als Nächstes brutzelt. Oder man schläft!

Nach buddhistischem Glauben (siehe dort) kann die Wiedergeburt in sechs Daseinsbereichen erfolgen: im Reich der Götter, dem der Asuras (Titanen), dem der Tiere, im Höllenreich, in dem der Hungergeister oder in der Menschenwelt (Karmabhumi). Der gefürchtetste Wiedergeburtsbereich ist aber nicht die Hölle, sondern offenbar das Reich der Hungergeister. Zwar wird jenen, die schwere Schuld auf sich geladen haben, in den diversen Höllen übel mitgespielt: Mit dem Schermesser wird den Sündern scheibchenweise der Schädel abgesäbelt. Man wird in siedendem Öl gebraten oder es werden einem die Gedärme herausgerissen. Aber es gibt wenigstens etwas zu essen!

Im Reich der Hungergeister ist das anders: Diese bedauernswerten Wesen haben riesige Körper und einen winzigen Mund, sie können nie in ausreichendem Maße Nahrung zu sich nehmen. Daher sind ihre Bäuche stets aufgebläht! Hinzu kommt, dass sich das Wasser, das sie trinken wollen, in Flammen verwandelt. Dann lieber dreihundert Jahre in der Hölle, als einen Monat bei den Hungergeistern!!

Mohinga - das Nationalgericht

Wer das ganze Ausmaß der ständigen Angst eines jämmerlichen Hungertodes zu sterben erleben will, fahre eine längere Strecke mit dem Zug. Alle Reisenden führen riesige Taschen mit sich, in denen sich genug Lebensmittel befinden, um den Weg dreimal zurücklegen zu können. Ohne dass auch nur das geringste Hungergefühl aufkäme. Kaum hat der Zug den Bahnhof verlassen, wird ausgepackt und gegessen. Natürlich wird niemand abstreiten, dass auch bei Expresszügen vier- bis fünfstündige Verspätungen eher die Regel als die Ausnahme sind. Aber so lange kann selbst hierzulande keine Zugfahrt dauern, dass man all die mitgebrachten guten Sachen verzehren könnte! Zumal der Zug alle naselang hält und an jeder Station Garküchen aufgebaut sind, deren Betreiber ihre Leckereien lautstark an den Mann oder die Frau bringen. Ganz abgesehen davon fahren stets Massen von fliegenden Händlern mit. Damit sie schneller vorankommen, bewegten sie sich bis vor einiger Zeit bevorzugt über die Zugdächer vorwärts. Und was essen die Burmesen nun gern? Als Nationalgericht gilt allgemein Mohinga, eine Fischsuppe mit Nudeln. Sie wird meist zum Frühstück gegessen, aber auch während des Tages nicht verschmäht. 

Desgleichen als Morgenmahlzeit sehr beliebt sind Ei Kyar Khwe, eine Art Krapfen. Auch Oh No Kauswe, süße Nudeln mit Kokosmilch erfreuen sich großer Beliebtheit. Doch das sind mehr oder weniger nur Snacks. Das wahre burmesische Essen sind Curries aller Art. Von der Konsistenz her ähneln sie ihren indischen Namensvettern, sind aber in der Regel milder! Sehr beliebt sind Schwein, Huhn und Hammel.

Rindfleisch wird nicht so viel gegessen, offenbar widerstrebt es vielen Leuten, diesen ‚treuen Freund‘ des Menschen zu verzehren. Dazu Fische, Garnelen und Tintenfische. Viele Burmesen lehnen den Verzehr von Tieren mit vier Beinen ab, d. h. sie essen nur Geflügel und Fisch bzw. Meeresfrüchte. Wobei Burmesen die Süßwasservarietät bevorzugen. Neben Hühnern auch Enten und Wachteln. Spatzen am Spieß werden ebenfalls nicht verschmäht. Lange Zeit konnte man am Bahnhof von Mandalay ein Schild mit der Aufschrift ‚Be kind to animals by not eating them!‘ bewundern. Es gibt auch viele Vegetarier im Lande. Manche freiwillig, die meisten eher unfreiwillig – sie können sich Fleisch und Fisch nicht oder nur selten leisten. Unser Gärtner pflückt einen erheblichen Teil seines Essens am Wegesrand. Besonders beliebt ist Chinbaung (Rosella), der wild wächst. Daraus kann man einen leckeren Salat machen, daneben eine schmackhafte Suppe. Auch andere Pflanzen wie Okra usw. wachsen oft am Wegesrand. Die Blätter diverser Bäume werden ebenfalls gern gegessen. Daneben stehen Bambussprossen und manchmal Lotus auf dem Speiseplan. Arme Leute decken einen großen Teil ihres Eiweißbedarfes durch die Fischpaste Ngapi, die in unterschiedlichen Stadien der Verwesung ‚genossen‘ wird. Auch Balachaung (eine Mischung aus getrockneten Minigarnelen, Chillies und Zwiebeln, Salz und Öl) wird gern als Zugabe gereicht.

Leckere burmesische Curries
Ein Straßenhändler mit seinem Karren in der 46. Straße, Downtown Yangon

Wer sich längere Zeit in Myanmar aufgehalten hat, kennt den lauten Ruf (heutzutage oftmals aus mitgeführten Lautsprechern), der ähnlich wie Schwemolledei! klingt. In Wirklichkeit heißt es Shwe Yin Moe Let Saung. Hierbei handelt es sich um einen beliebten Snack, der von Straßenhändlern mit ihren fahrenden Verkaufsständen angeboten wird: Toastbrot, Sago, Kokosnussmilch, viel Zucker und Kokos-Gelatine. Anderes kann nach Belieben des Verkäufers hinzugefügt werden. Preiswert und entsprechend beliebt.

In Myanmar wird viel Essen auf der Straße angeboten. Die Zubereitung traditioneller burmesischer Curries daheim ist sehr zeitaufwendig und auch nicht billig. Daher greifen viele Leute auf Street Food zurück. Sehr beliebt sind Samosas, Nudeln, Frühlingsrollen und Ähnliches, die in heißem Öl gegart werden. Als Ausländer sollte man beim Genießen von Street Food vorsichtig sein: Die Burmesen haben einen erheblich stabileren Magen als westliche Besucher! Schon mancher tapfere Tourist hat nach dem Genuss von Street Food die folgenden Tage auf der Toilette verbracht. Nicht, dass ich generell davon abriete – aber man sollte sich vorher sehr genau anschauen, wie das Essen zubereitet wird. 

Eine Besonderheit ist we’ thar to do (Innereien vom Schwein an kleinen Spießen). Die Kunden sitzen auf den landesüblichen Plastikhockern um einen Kessel mit siedendem Öl herum. Die Inhaberinnen (fast alle dieser Imbisse werden von Frauen betrieben) schneiden auf einem Tischchen die Innereien mundgerecht zu. Dann wird das Ganze auf kurze Holzstäbe gespießt und auf einen Teller gelegt, den der Kunde bekommt. Der hält die Spießchen ins siedende Öl und verzehrt die aufgespießten Leckereien mit Genuss. Das Ganze hat etwas sehr Kommunikatives: Während die Gäste auf das Essen warten, kann man wunderbar mit den anderen Kunden schwätzen. Und es ist ausgesprochen preiswert. Am Hafen von Yangon kann man für 50 Kyat (ca. 3 US-Cent) ein Spießchen bekommen. Ist allerdings eher etwas für den hohlen Zahn. Um satt zu werden, muss man schon etliche spachteln.         

we’ thar to do - Alles vorbereitet: Die Kunden können kommen
Da kommt Freude auf!

Eine besondere Spezialität sind frittierte Heuschrecken (ba yi‘). Dabei heißt es jedoch, auf die Feinheiten zu achten. An der 19. Straße fahren die Händler mit ihren Karren den ganzen Abend durch die Gegend. Alle paar Minuten werden die Viecher wieder in heißem Öl aufgewärmt. Aber die schmecken dann einfach nicht mehr … Ich kaufte dort einmal eine große Tüte voll für die Familie meiner Frau. Sie bedankten sich, erklärten aber, die könne man beim besten Willen nicht mehr essen …  Aber wenn sie frisch zubereitet werden, kennt die Begeisterung keine Grenzen, wie nebenstehendes Foto beweist. 

Mmmmmhh! Lecker!!!!