Hilfe - ich verbusche

Verbuschung wird allgemein als ‚die Ausbreitung von Sträuchern und Bäumen in Wiesen, Grünland, Heide und Savannen‘ definiert. Doch sie kann auch Menschen betreffen. Wenn man zu lange in tropischen Entwicklungsländern (= der Busch) lebt, nimmt man die Mentalität seiner Bewohner an. Und ich selbst bin ein Betroffener! Wie kam es dazu?

Als ich 1977 das erste Mal in Burma war, erschien es mir als das fremdartigste Land, das ich je gesehen hatte. Während man in anderen Staaten der Region schon eine gewisse Verwestlichung beobachten konnte, schien dort die Zeit stehen geblieben zu sein. Männer wie Frauen trugen ihre traditionelle Longyis (Wickelröcke). Es gab kaum Autos auf den Straßen. Wenn man sich mit den Leuten unterhielt, konnte man feststellen, dass sie wenig von dem wussten, was außerhalb ihres Landes vorging. Es schien sie auch nicht sonderlich zu interessieren. Zwar hat sich das seit Beginn des dritten Jahrtausends etwas geändert, aber es ist immer noch eines der fremdartigsten Länder in der Welt. Aber nicht mehr für mich. Zu meiner eigenen Verwunderung musste ich feststellen, dass mir die Burmesen und ihre Ansichten und Lebensweise inzwischen näher stehen als meine deutschen Landsleute.

Besonders deutlich wurde mir das bei der Eröffnungsfeier des Goethe-Institutes in Yangon. Das Programm war mehr als verwunderlich und ich kam mir manchmal vor wie das kleine Mädchen im Märchen ‚Des Kaisers neue Kleider‘. Der Tiefpunkt war eine ‚Performance‘: Ich entdeckte einen meiner Freunde auf der Terrasse des Hauses und er rief mich hinauf. Als ich die Treppe hochging, stieß ich auf einen Europäer in Unterhose, der seine Blöße durch eine silberfarbene Rettungsdecke (?) notdürftig verhüllte. Der Kerl saß auf dem Treppenpodest, umgeben von Hunderten von leeren Plastikflaschen, die er nach unten beförderte – genau mir vor die Füße. Glücklicherweise folgte ich nicht meinem Impuls, dem Penner mal die Meinung zu geigen, und ging wortlos weiter. Oben stand wieder eine größere Ansammlung von Besuchern, die dem Unterhosen-Mann zuschaute. Da wurde mir klar, dass ich Kunstbanause eine Performance gestört hatte! Unfassbar! Und es gab nicht wenige, die sich beeindruckt zeigten: Hier werde ein Protest gegen die Wegwerfgesellschaft in eine Performance umgesetzt … Mir selbst fiel nichts mehr dazu ein. Als ich gegenüber einem befreundeten Diplomaten der deutschen Botschaft mein Befremden über diese Farce äußerte, antwortete er mir: „Axel, wir nennen das Verbuschen“.