Leben wie Gott in Burma
Mit Schwarzmarktgeld konnte man damals in Burma richtig gut leben: Luxus-Suite im Strand Hotel, dem ersten Haus am Platze? Gar mit eigenem Bad? Kein Problem! Statt hundert Dollar kostete die nur zehn – wenn man denn vermeiden konnte, dass die Übernachtung in die Form eingetragen wurde. Aber das zu verhindern war ja gerade die Kunst! Ich kannte zufällig einen Kassierer im Strand Hotel – bei dem konnte ich bezahlen, ohne dass er es in die Money Declaration Form eintrug. Natürlich erwartete er eine Gegenleistung und so legte ich ihm mal eine Flasche Johnny Walker auf seinen Counter, dann wieder ein schönes Hemd. War immer noch erheblich günstiger als die offizielle Übernachtung! Obwohl: Ratten gab es auch in der Luxus-Suite – da stellte das Strand, ehemals die ‚Queen der Hotellerie östlich von Suez‘, keine Ausnahme von der landesweiten Regel dar …
Auch das Essen konnte ich zu dem günstigen Kurs bezahlen und so entwickelte sich der Lobster Thermidor dort zeitweise zu meinem Leib- und Magengericht: Bei zwei Dollar fünfzig im glasüberdachten Saal konnte man sich wahrhaftig nicht beschweren! Allerdings war auch im Strand Hotel nicht alles Gold, was glänzte: Das Hotelpersonal war stets bemüht, so viel wie möglich für den eigenen Haushalt bzw. den Schwarzmarkt abzuzweigen. Als ich eines Morgens meinen Tee bekam, war der Boden des schönen silbernen (?) Zuckergefäßes nur knapp mit dem begehrten Artikel bedeckt. Ich kratzte alles raus und rief den Kellner: „Bitte nachfüllen! Und zwar richtig – da war ja kaum was drin!“. Er sagte „Sorry, Sir!“, nahm das Gefäß und kehrte nach ein paar Minuten zurück – der Boden wieder nur knapp bedeckt. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel und ließ den armen Kerl so lange laufen, bis ich meine gewohnte Ration Zucker im Tee hatte.
Eines Tages wunderte ich mich über den merkwürdigen Geschmack meines Leibgetränkes: Es schmeckte stark nach Kaffee! Ich vermutete, dass jener vorher in der Kanne serviert worden war und sie danach nicht richtig sauber gemacht worden war. Ich rief also den Kellner und berichtete ihm von meinem Problem. Er dackelte davon und es dauerte nicht lange, bis er mit einer neuen Kanne zurückkam – deren Inhalt schmeckte genau so wie der vorherige. Ich winkte ihn also wieder herbei und bat ihn, die Küche doch mal über mein Problem zu informieren. Die sollten doch bitte den Teepott richtig sauber machen, bevor sie Tee einfüllten. Wenn sie denn schon unbedingt dasselbe Geschirr für beide Getränke benutzen müssten. Und was kam? Wieder diese Plörre! Ich gab auf und trollte mich. Als ich einem burmesischen Bekannten davon berichtete, fragte er mich: „Ja weißt du denn nicht, dass Kaffee und Tee hier gemischt werden? So spart man sich viel Arbeit und der Teetrinker glaubt, dass er Tee trinkt, während der Kaffeetrinker davon überzeugt ist, Kaffee zu trinken! Wir nennen das Singapore Style!“. Erstaunliches Burma!
Ein weiteres Highlight im Strand Hotel war der in der Lobby aufgestellte Glasschrank mit ‚Lost Property‘! Also, was die da alles hatten – da konnte man nur staunen: uralte Broschen, Ringe, Brillen, ja sogar ein Monokel.
Einige Dinge sahen aus, als ob sie bereits von den Gästen der Eröffnungsgala im Jahre 1901 dort vergessen worden waren … Ich fragte mich immer, ob man wirklich daran glaubte, dass die Reisenden, die diese Sachen zurückgelassen hatten, jemals wiederkommen würden, um ihr vergessenes Eigentum abzuholen. Oder wenigstens deren Urenkel!
Oder sollte es die Seriosität des Hauses demonstrieren? Obwohl es dafür sicherlich auch andere Wege gegeben hätte. Wie z. B. saubere Bettwäsche! Unter Reisenden kursierte das Gerücht, dass nicht nur die Möbel in dem Zimmer, in dem Somerset Maugham genächtigt hatte, dieselben waren wie damals in den Zwanzigerjahren! Nein, auch das Bettlaken war noch dasselbe! Durchaus glaubhaft! Ebenso wie das Moskitonetz! Und die Ratten waren vermutlich die Urururururenkel der Zimmergenossen des großen britischen Schriftstellers – falls es damals diese Nager überhaupt in den Zimmern gab. Was ich bezweifle! Ein weiteres Highlight des Strand Hotels waren dessen antike Aufzüge – uralte Käfige mit Scherengittern. Als ich den Fahrstuhl zum ersten Mal herunterkommen sah, hatte ich die Vision, dass gleich Frank N. Furter aus der Rocky Horror Picture Show aussteigen würde – so wie in der Szene in dem Film.