Kyats, Dollars und FEC

Begehrt wie heiße Buletten - US Dollars

Kyat (in etwa ausgesprochen wie tscha) ist der Name der burmesischen Währung. Das Wort hat – wie so oft im Burmesischen– sehr viele Bedeutungen, u. a. bezeichnet es eine Maßeinheit (16.33 gr). Zurück zur Währung: Ein Kyat enthält 100 Pya. Aufgrund der starken Abwertung spielt Letzterer heute keine Rolle mehr. Ich entsinne mich jedoch daran, in den 70/80er-Jahren noch 5-Pya-Münzen gesehen zu haben. Münzen sind heutzutage rar in Myanmar, da der Materialwert oft den Nennwert überschreitet. Der Kyat hat im Laufe der Jahrzehnte gegenüber dem US-Dollar, der so etwas wie die Zweitwährung des Landes ist, stark abgewertet. Der offizielle Kurs lag sehr lange um 6 Kyat für den Dollar. Ich entsinne mich, dass ich bei meiner ersten Reise (1977) auf dem Schwarzmarkt 20 Kyat dafür bekam. 

Im Jahre 2020 lag er bei etwa 1.400 pro Dollar. Allerdings ist Vorsicht geboten! Wehe, der Geldschein ist in der Mitte geknickt, gestempelt oder beschrieben: Das gibt die größten Probleme! Beschädigte und beschmutzte Dollarnoten sind praktisch nicht loszuwerden. Oder gar ‚alte’ Hunderter mit ‚kleinem Kopf’, ganz zu schweigen von 100-Dollar-Noten mit der Nummer CB – die sind falsch, das weiß in Myanmar jedes Kind! Es versteht sich von selbst, dass dies eine Einbahnstraße ist: Ausländern gibt man solche Noten natürlich sehr gern …

Eine interessante Variante waren Foreign Exchange Certificates, kurz FEC genannt. Ausländer mussten lange Zeit bei der Ankunft einen bestimmten Betrag an Dollars in dieses Kunstgeld tauschen. Es wurde von der Regierung des Landes herausgegeben und besaßen eine gewisse Ähnlichkeit mit Monopoly-Geld. Es gab Stückelungen von 1, 5, 10 und 20. Ihr Wert sollte eigentlich genau dem des Greenbacks entsprechen, aber tatsächlich unterlag er erheblichen Schwankungen. Es kam vor, dass der FEC höher gehandelt wurde als der Dollar, andererseits konnte er aber auch beträchtlich darunter sinken. Ich entsinne mich daran, dass er einmal fast auf die Hälfte des Dollarkurses fiel und schon jeder damit rechnete, dass diese Kunstwährung abgeschafft würde. Aber sie erholte sich wieder. Irgendwann wurde sie im Rahmen der wirtschaftlichen Liberalisierung aus dem Verkehr gezogen …

Gehe nicht über LOS! Ziehe nicht 5.000 FEC ein!
15 Kyat: Aung San
45 Kyat: Thakin Po Hla Gyi

Verglichen mit den Verhältnissen vor dem Volksaufstand 1988 leben die Burmesen heute in goldenen Zeiten, was das Geld angeht. Während der Regierungszeit Ne Wins, als Myanmar noch Burma hieß, wurden die armen Einheimischen nicht weniger als dreimal durch Außerkurssetzung von Geldscheinen (demonetization) beunruhigt: 1964, 1985 und 1988! In der Regel am Samstagmorgen kam eine kurze Mitteilung über das Radio, dass mit sofortiger Wirkung die nachfolgend genannten (überwiegend ‚hohe‘ Nennwerte, d. h. mit einem Wert von über 2.50 US-Dollar) Geldscheine ungültig seien: Dann war oft mit einem Schlag zwei Drittel des gesamten umlaufenden Geldes nichts mehr wert! …

Wenn die Regierung sich großzügig zeigte (1964 und 1985, aber nicht mehr 1988!), gab es die Möglichkeit, jene für ungültig erklärten Geldscheine gegen andere umzutauschen. Aber nur, wenn man glaubhaft belegen konnte, dass sie legal erworben wurden. Und das ist nicht einfach für einen Schwarzhändler, der Millionenbeträge der lokalen Währung gehortet hat. Besser gesagt: unmöglich! Zwar konnte man Verwandte und sogar Bettler zum Umtauschen schicken. Aber die Summen waren so gewaltig, dass selbst die größte Verwandtschaft und alle Bettelbrüder und -schwestern des Landes nicht ausreichten! Und die mussten belegen, dass sie es legal erworben hatten. Wie aber soll ein armer Hund an 5000 Kyat gekommen sein? Durch ehrliche Arbeit? Wohl nicht anzunehmen! 1988 verloren nicht nur die Schwarzhändler viel Geld, sondern auch ganz normale Leute einen Großteil ihrer Ersparnisse! Denn in Burma hat bis vor nicht allzu langer Zeit heute kaum jemand ein Bankkonto und Bargeld lacht nach wie vor. Und es gab so schöne Geschichten wie die von dem indischen Geldhändler, der sich nach der offiziellen Verlautbarung aus lauter Verzweiflung auf seinem Geldberg (der ein ganzes Zimmer gefüllt haben soll) erschossen hatte – das hätte Dagobert Duck nicht besser machen können …

90 Kyat: Hsaya San
Meine Lieblingsbanknote - 35 Kyat: Aung San

Durch die häufigen Entwertungen kam es zu einem ziemlichen Chaos unter den Geldscheinen: neue Hunderter, alte Hunderter, ganz alte Hunderter. Dasselbe galt für Zehner, Zwanziger und Fünfziger – kurz, ein heilloses Durcheinander! Aber in solchen Dingen sind die Burmesen erfindungsreich: Sie führten Nennwerte ein, die es vermutlich nur dort gab! Banknoten zu 15, 45 und 90 Kyat waren ja irgendwie noch logisch – zumindest für burmesische Verhältnisse! War doch angeblich 69 (Quersumme = 15) die Glückszahl des Diktators Ne Win. Die 35-Kyat-Note (siehe oben) stellte jedoch auch die geübtesten Sterndeuter vor Rätsel. Ich persönlich hielt das Ganze anfangs für den Beginn eines streng geheimen, gigantischen Erziehungsprogramms der Regierung: Die Grundrechenkenntnisse der Bevölkerung sollten nachhaltig verbessert werden! Bündele du mal 15-, 35-, 45-, 75- und 90- Kyat-Banknoten zu einem 1000er-Päckchen – gar nicht so einfach. Ich tippte daher darauf, dass als nächster Schritt nur noch Primzahlen als Nennwerte zum Einsatz kommen würden: Das wäre mal eine echte Herausforderung gewesen! Leider bekam die Nationalbank kalte Füße und bei der nächsten Umstellung gab es ganz ordinäre Nennwerte wie 20er, 50er, 100er und 200er – schade, eine gute Gelegenheit verpasst! 

Als Ausländer war man in gewisser Weise gefeit gegen diese Gefahren. Denn man tauschte immer nur so viel lokale Währung, wie man brauchte. Betroffen waren wir nichtsdestoweniger. Ich erinnere mich an die ALAMAN-Krise im Jahre 1997. Jeder wartete darauf, dass die Regierung wieder das Geld mit einem Schlag für wertlos erklären würde. Zwar hatte die neue Militärregierung hoch und heilig versprochen, das nicht zu tun, aber wer glaubt denen schon? Immer wieder kamen Gerüchte auf, dass spätestens am nächsten Morgen bestimmte Geldscheine für ungültig erklärt würden. Ein besonders heißer Favorit war der 500-Kyat-Schein, damals der größte, den es gab. Da könnte die Regierung mal richtig abräumen bei den Schwarzhändlern! Jeder kannte jemanden, der einen guten Freund hatte, dessen Verwandter bei der Staatsbank arbeitete und der das bestätigt hatte. Frage war nur: Wann schlagen die zu? Mit dem Geldwechsel zu warten war auch keine Lösung – schließlich muss man ja irgendwann mal Einkaufen gehen. Und so harrten alle gespannt des Tages der Tage …

Es gab ein paar Mal falschen Alarm, der sich aber schnell im Nichts auflöste. Aber dann war es wirklich so weit: Ich saß gerade beim Abendessen, als mein Gärtner ans Fenster gestürzt kam und mir mitteilte, er habe soeben im Radio gehört, dass mit sofortiger Wirkung alle 500er-Scheine mit den Anfangsbuchstaben AL, AM und AN ungültig seien. Ich rannte zu meinem Safe und Entsetzen packte mich: Mein gesamtes Bargeld bestand zu 90 Prozent aus diesen Scheinen! Nicht weniger als 20.000 Kyat, das entsprach mehr als zweihundert Dollar! Eine ganze Menge Geld! Nun war guter Rat teuer und ich fasste blitzschnell einen Entschluss: Weg mit der heißen Ware! Ich nahm die ungültigen Geldscheine und weckte meinen Fahrer auf: „Ganz schnell zum Myaing Hay Wun Supermarkt!“. Er wusste gar nicht, wie ihm geschah, aber innerhalb einer Minute waren wir auf dem Weg. Wir erreichten wenig später den Supermarkt und nun war guter Rat teuer: Was kauft man auf die Schnelle für so viel Geld? 

 

Die Gedanken jagten durch mein gemartertes Gehirn und dann entschloss ich mich – für den gesamten Betrag Coca Cola zu kaufen! Kann man schließlich immer gebrauchen! Ich bekam mehrere Kartons von dem Zeug! Ganz unschuldig ging ich zur Kasse und legte die Ware aufs Band. Die Kassiererin verzog keine Miene, tippte dreihundert Dosen Cola oder so ein und nahm mein Geld, als ob gar nichts dabei wäre. Hastig bedankte ich mich, mein Fahrer trug die Sachen zum Auto und dann suchten wir das Weite – wenn nur nicht jetzt in letzter Sekunde mein teuflischer Plan aufflog … Aber keiner hielt uns zurück und wir verließen unbehelligt den Parkplatz – puhh, echt Schwein gehabt! Na, die würden sich ärgern! Und ich war über alle Berge! Allerdings stellte sich heraus, dass das auch wieder nur eine Ente war – stimmte gar nicht. Der 500-er ist siebzehn Jahre später immer noch im Umlauf! Die Cola ist aber inzwischen ausgetrunken. Gerüchteküche Burma!

In meiner Speisekammer - Cola für ein ganzes Jahr!