Sind Burmesen Rassisten?

Mädchen mit Thanaka-Gesichtsbemalung (Foto: Klaus Scholpp)

In der westlichen Welt geht man seit einiger Zeit davon aus, dass es keine Menschenrassen gibt. So habe ich es jedenfalls verstanden. Alle Menschen sind gleich. In Asien sieht man das etwas anders.  Nicht wenige westliche Besucher asiatischer Länder sind befremdet, dass das, was bei ihnen ‚Rassismus‘ genannt wird, hier so offen – und beinahe unschuldig – zutage tritt. Das gilt auch für Myanmar! Im Personalausweis wird z. B. die ‚Rasse‘ bzw. ‚Nation‘ (das Wort hat darüber hinaus mehrere Bedeutungen: Art, Spezies, Varietät, Abstammung, Geschlecht, Erbe, Verwandtschaft, soziale Klasse usw.) des Inhabers angegeben! Dieser Terminus (amjou:) findet sich hier allenthalben – und keiner denkt sich etwas dabei. Der hma‘ poun tin (ID card) enthält nicht nur persönliche Daten wie den Namen des Inhabers und den des Vaters, sondern auch folgende weitere: Die Volksgruppe und die Religion (!), Körpergröße, Blutgruppe, besondere körperliche Merkmale, Beruf, Adresse, Unterschrift und Fingerabdruck! In Europa undenkbar! 

Reklame für Whitening Cream

Man kommt nicht umhin festzustellen, dass Menschen mit dunklerer Hautfarbe von vielen Burmesen als minderwertig betrachtet werden. Burmesische Mädchen und Frauen tun – ebenso wie ihre Schwestern in den Nachbarländern – fast alles, um eine helle Haut zu erhalten oder zu bekommen. Selbst die einfachen Bauernmädchen, die beim Straßenbau tätig sind, mummeln sich in einem Maße ein, dass einem schon beim bloßen Hinsehen der Schweiß ausbricht. Nicht wenige tragen sogar Handschuhe! Ähnliches ist auch bei Feldarbeiterinnen zu sehen. In Myanmar ist natürlich Thanaka, die Paste, die sich viele Burmesinnen aufs Gesicht schmieren, das Mittel der Wahl. Übrigens keine Sandelholzpaste, wie man oft liest, sondern aus der Rinde des Thanaka-Baumes (Limonia acidissima) gewonnen.  Whitening Creams werden den Händlern geradezu aus den Regalen gerissen, Preis spielt keine Rolle, Effekt auch nicht! Hauptsache, man glaubt daran! Ich selbst habe schon erlebt, dass sich Mädchen bei mir quasi für ihre wunderschönen, milchkaffeefarbenen Teint entschuldigt haben. Wie gern wären sie so bleich wie ich! Und damit stehen sie nicht allein: Ob in Indien, ob in China, in ganz Südostasien – überall dasselbe: Helle Haut ist in! 

Ein spezielles Kapitel in dieser Hinsicht stellen in Myanmar die Inder dar. Sie werden allgemein als kala: bezeichnet. Die Herkunft dieses Begriffes ist nicht klar: Manche meinen, es bedeute ‚die übers Meer Gekommenen‘, andere dagegen glauben, es stehe für ‚heilige Rasse‘. Wie auch immer: Inder gelten in Myanmar gemeinhin als nicht besonders angenehme Zeitgenossen. Ein Erbe der Kolonialzeit, als sie unter dem Schutz der Engländer zu Millionen ins Land kamen und – nach burmesischer Ansicht – bei deren Unterdrückung und Ausbeutung tatkräftig mithalfen. Viele Soldaten in der Kolonialarmee waren indischer bzw. nepalesischer Herkunft (Sikhs, Gurkhas usw.), ihre Nachfahren sind heute noch zahlreich in den Hill Stations des Landes zu finden. Die geschäftstüchtigen Inder kontrollierten schon bald große Teile des Geschäftslebens im Lande, allen voran die Chettiyars, eine Kaste von Geldverleihern aus dem südindischen Tamil Nadu. Dies rief natürlich den Neid der  

Burmesen hervor, die dunkle Hautfarbe tat das ihre. Ich entsinne mich an die Begegnung mit einem arakanesischen Reiseleiter, der mir mit seinen dauernden abfälligen Bemerkungen über die Inder, vor allem die zahlreichen Bengalen, langsam auf die Nerven ging. Dunkle Hautfarbe, falsche Religion, schmutzig usw. Ich fragte ihn, was er denn gegen die Inder habe, selbst der Buddha sei einer gewesen. Er war empört und antwortete im Brustton der Überzeugung: „Nein, Buddha war kein Inder, er war Arier – so wie ich!“. „Na, du bist mir ein schöner Arier!“, entgegnete ich ihm. Seine Hautfarbe unterschied sich nicht wesentlich von der jener, die er so heftig kritisierte! Bezeichnenderweise hielten sich die Könige der Konbaung-Dynastie (und vermutlich nicht nur die …) für Nachfahren Buddhas. Gemäß einer Legende entkam ein Adliger des Stammes dem Massaker, das die Familie Gotamas auslöschte. Und der sei nach Myanmar ausgewandert.

Dass jener Reiseleiter mit seiner Meinung nicht allein steht, beweist ein Auszug aus Thant Myint-Us Buch ‚The Hidden History of Burma‘ (S. 128). Der burmesische Generalkonsul in Hongkong, Ye Myint Aung, äußerte sich zu Vorwürfen hinsichtlich der Diskriminierung von ‚Rohingya Muslims‘ in Rakhine und verglich deren ‚dark brown complexion‘ mit seiner eigenen, die er als ‚fair and soft, good-looking as well‘ bezeichnete die. Die Rohingyas hingegen seien ‚as ugly as ogres‘ (Menschenfresser). Mr. Ye was never reprimanded. Instead he was promoted.‘ staunte Thant Myint U. An einer anderen Stelle merkt er an, dass indische Schauspielerinnen früher in Myanmar sehr populär gewesen seien. Ich kann mich beileibe nicht als Kenner der Bollywood-Szene bezeichnen, aber so weit ich das beurteilen kann, haben diese Damen alle einen hellen Teint. Dunkle Hautfarbe ist den Schurkinnen vorbehalten. Generell habe ich in Myanmar beobachtet, dass die Bamar, die größte Volksgruppe im Lande (etwa 2/3 der Bevölkerung), sich selbst am besten leiden können. Das Verhältnis zu den Minoritäten ist oft von Spannungen gezeichnet. Nicht zuletzt ein Erbe der Kolonialzeit, in der die Briten die Völker des Landes gegeneinander ausspielten.