Animismus in Myanmar

Mt. Popa, der burmesische Olymp

Der Geisterglaube ist bei allen Völkern Myanmars mehr oder weniger vertreten. Am stärksten vermutlich bei den Stämmen in den Randgebieten, die auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe stehen. Die Burmesen fassen die Geister gewöhnlich unter dem Begriff na’ zusammen. Das Wort ist vermutlich abgeleitet vom Sanskritwort natha, das in etwa ‚Herr‘ oder ‚Meister‘ bedeutet (siehe z. B. Tempel von Pashupatinat, Swayambunath und Bodnath in Kathmandu). Der Begriff na’ wird nicht einheitlich verwendet und umfasst beileibe nicht nur den Bereich Animismus: Auch Hindugötter (wie Mahapeinne), burmesische Könige (Tabinshweti), Mara (der ‚Teufel‘), ja manchmal sogar der Buddha (!) selbst wird so bezeichnet (wi.thou’di.na‘ = der reine na‘). Erstaunlicherweise werden ja vor dem ‚Wunscherfüllungspavillon‘ auf der Shwedagon (Südwestecke) dem Buddha Kokosnüsse und Bananen zum Opfer gebracht – eigentlich typische Gaben für Geister! Geister- und Seelenvorstellungen sind in Myanmar weit verbreitet, obwohl der Buddhismus sie ebenso ablehnt wie die Vorstellung eines allmächtigen Gottes im christlichen oder islamischen Sinne. Aber wer wollte abstreiten, dass die Burmesen die Existenz einer Seele annehmen? Es existieren sehr genaue Vorstellungen darüber: Die Seele wird in der Form eines Schmetterlings  (lei’pja) gedacht. 

Die Vorstellung eines Seelenschmetterlings gibt es auch in Europa, daneben noch zahlreiche andere Seelentiere (wie z. B. Katzen, Käuzchen oder Fledermäuse). Nach dem Tode eines verlässt der lei’pja den Körper des Verstorbenen und muss durch diverse Zeremonien besänftigt werden. Wenn dies nicht gelingt, findet die Seele keinen Frieden und ist vielleicht gezwungen, als tahsei herumzugeistern. Die sogar nicht vor dem Verschlingen von Menschen zurückschrecken! Ähnlich unangenehme Zeitgenossen sind thajei:, ou’da zaun. oder die Menschenfresser ba lu: bzw. ba lu: ma. und wie sie sonst noch heißen. Ba lu:-Statuen schmücken viele Tempel und Stupas (so auch Shwedagon): In solchen Fällen sollen sie den Platz beschützen, indem sie Böses von ihm abwenden. Wie allgemein bekannt, ließen die burmesischen Könige an den Stadttoren oder an der Stadtmauer Menschen lebendigen Leibes hinrichten – ihre Geister sollten die Stadt schützen (siehe z. B. Geschichten von Byatwi und Byatta oder der Gründung Mandalays).  Im Gegensatz zu den Naturgeistern, die sowohl Positives als auch Negatives bewirken können, sind die eben genannten definitiv böse!  Man macht daher am besten einen weiten Bogen um sie … Sollten sie einen trotzdem belästigen, müssen Spezialisten ran, um mit der Bedrohung fertig zu werden: Geistermedien (na‘ ga do, siehe nachstehendes Foto)! Wenn auch das nicht hilft, wendet man sich am besten an einen Mönch.  

Der Nat U Min Kyaw im Geisterschrein des Mt. Popa - Schutzherr der Trinker, Spieler und Weiberhelden
Der Autor mit zwei na' ga dos aus Bago