Auswandern nach Myanmar
Das hört sich gut an, nicht wahr? Für mich als Burma-Begeisterten allemal! Seit meinem ersten Besuch dort im Jahre 1977 war es das Land meiner Träume schlechthin! Damals nur wenigen Menschen im Westen bekannt: Ganze 20.000 Besucher verirrten sich in jenem Jahr dorthin. Kein Wunder, wenn man nur eine Woche bleiben darf und die touristische Infrastruktur mehr als dürftig ist. Doch gerade das faszinierte mich! Auch heute noch ist Myanmar, wie es seit 1989 heißt, ein geheimnisvolles Land für viele. Ich hatte vorher schon viele andere Staaten besucht. Aber Burma haute mich einfach um! Ich begann, mich damit zu beschäftigen, eröffnete einen kleinen Handel mit Waren von dort und schrieb mein erstes Buch darüber. Nahm Sprachunterricht! Und hoffte! Denn lange Zeit war es gar nicht möglich, nach Myanmar auszuwandern bzw. dort zu leben. Das war Landesfremden vorbehalten, die einen der raren Jobs bei einer ausländischen Firma hatten. Wozu man den richtigen Beruf haben musste, z. B. Ingenieur.
Heute ist das nicht mehr so schwer. Obwohl man sich keine Illusionen machen sollte: Hier einen Job zu finden ist schwierig! Zumal, wenn man die Landessprache nicht beherrscht. Von Englisch ganz zu schweigen. Ich denke, dass Myanmar ein wunderbarer Ort ist, an dem gut man leben kann, wenn man ein regelmäßiges Einkommen (z. B. Rente) hat. Die Lebenshaltungskosten sind niedrig, vor allem außerhalb der großen Städte. Viele meinen, dass das Visum ein großes Problem darstellt. Ich habe das immer ganz anders gesehen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Es gibt ja nicht wenige Deutsche, die nach Thailand ‚auswandern‘ – das scheint viel einfacher zu sein, als nach Myanmar zu gehen. Alles ganz einfach mit der Visaregelung! Visa on Arrival. Stimmt! So lange du vier Wochen bleibst und dann wieder verschwindest. Ansonsten wird’s kompliziert. Ich kenne Deutsche, die dort schon jahrelang leben, und immer noch alle drei Monate auf den ‚Visa-Run‘ gehen müssen.
Selbst solche, die mit Einheimischen verheiratet sind und dort Familie haben . Und die Vorschriften werden ständig verschärft. In Myanmar braucht man zwar ein Visum für die Einreise, aber danach ist es vergleichsweise einfach. Leute, die Zeiten haben sich geändert! Myanmar ist nicht mehr so abgeschlossen, wie viele noch heute glauben.
Und was ist so schlimm daran, wenn man ab und zu mal nach Thailand ausreisen muss, um sein Visum zu erneuern? Ich selbst habe das immer als eine gute Gelegenheit betrachtet, meine Vorräte an Dingen aufzustocken, die es in Myanmar nicht gibt. Und wenn ich sehe, wie gut man hier in den Hill Stations wie Pyin Oo Lwin (Maymyo) oder Kalaw leben kann, kann ich nur jedem raten, sich hier niederzulassen. Ein bisschen Flexibilität ist allerdings Voraussetzung. Wie ich immer sage: In Myanmar klappt alles. Oft aber ganz anders, als man es sich vorgestellt hat. Wer Interesse hat, kann sich gern an mich wenden.
Doch zurück zu mir: Mitte der 90er-Jahre änderte sich alles. Myanmar öffnete sich langsam und eine Auswanderung lag plötzlich im Bereich des Möglichen. Wenn man heute Ausländer trifft, die schon lange dort wohnen, kamen sie in der Regel während jener Zeit. Ich war Mitte vierzig und falls ich jemals meinen Traum vom Leben in Myanmar verwirklichen könnte, dann jetzt! Aber die sichere Existenz in Berlin aufgeben? Ich hatte zusammen mit zwei Partnern dort ein Ladengeschäft, von dem wir ganz gut leben konnten. Daneben verdiente ich mir noch Geld mit Studienreiseleitungen. Es ging mir also finanziell recht gut. Ich hatte eine preiswerte 80 qm große citynahe Wohnung im Wedding, in der ich mit meiner Freundin lebte. Aber der Traum von Myanmar, den ich seit meinem ersten Aufenthalt im Jahre 1977 dort träumte, wollte mir nicht aus dem Kopf gehen. Im Februar 1996 fiel bei einem Spaziergang im Berliner Grunewald der Entschluss – wir machen’s!
Ich verkaufte meinen Anteil an dem Laden und ließ mich auszahlen. Meine Geschäftspartner freuten sich und machten mir unmissverständlich klar, dass es ein Abschied ohne Wiederkehr war. Alles in allem kamen – inklusive meines Ersparten – etwa hunderttausend DM zusammen. Mein Startkapital. Unsere Wohnung vermieteten wir an eine Freundin. Ich ließ die Hälfte meines ‚Vermögens‘ auf dem Bankkonto, den Rest nahm ich mit. Wir luden unsere Freunde zu einer großen Abschiedsparty ein. Viele Leute fragten uns damals: „Ja, geht das denn, einfach so nach Myanmar auszuwandern?“. Das haben wir uns damals auch gefragt. Egal! Wir besorgten uns ein Business-Visum, packten unseren Hausrat in zwölf Kisten und schickten ihn mit Luftfracht nach Yangon. Am 12. Oktober 1996 war es so weit – wir flogen ins gelobte Land. Dort mieteten wir uns ein Hotelzimmer und machten uns auf die Suche nach einem Haus. Irgendwann kam unsere Luftfrachtsendung in Yangon an und wir gingen zum Zoll. Keiner fragte uns, warum wir denn unseren Hausrat dorthin schickten. „Macht 250 Dollar Zollgebühren!“ – das war alles.
Wir bezahlten und brachten die Kisten in unser Hotel. Ein paar Wochen später waren wir fündig geworden bei unserer Haussuche. Wir mieteten ein Haus nahe dem Flughafen für 750 Dollar Monatsmiete und bezahlten die Miete für ein Jahr im Voraus. So ist es Sitte in Myanmar. Auch vonseiten des Vermieters keine Fragen hinsichtlich unseres Aufenthaltsstatus. Geld auf den Tisch und das war’s!
Anfangs lebten wir von unseren Ersparnissen und ein paar Reiseleitungen, die ich von deutschen Auftraggebern bekam. Wir knüpften zahlreiche Kontakte zu westlichen Ausländern, die uns gute Tipps gaben. Ich begann einen kleinen Handel. Klapperte diverse Läden ab, die Lebensmittel für die kleine Expat-Community von Yangon verkauften. Bot ihnen an, in Myanmar nicht erhältliche Spezialitäten wie Salami, Käse und Gummibärchen in Bangkok zu besorgen und – mit Aufschlag – an sie zu liefern. Bald hatte ich mein ‚Angebot‘ um andere Waren erweitert. Daneben arbeitete ich als Discjockey. Auch dabei kam ein Dollar zum anderen. Hinzu addierten sich meine Einkünfte aus Reiseleitungen. Schließlich erwog ich, ein Restaurant zu eröffnen. Den richtigen Partner hatte ich schon, aber dann zerschlug sich die Sache. Meine Einkommensverhältnisse blieben jedoch unsicher. Es dauerte nicht lange, bis mir Zweifel an meinem Entschluss kamen: War ich denn blöd gewesen, meine sichere Existenz in Berlin aufzugeben? Oft wachte ich nachts auf und konnte nicht mehr schlafen ob der Sorgen, die ich mir machte. Doch ich fand ein gutes Mittel dagegen: Aufstehen, die Probleme auf einen Zettel schreiben und dann nach Schwierigkeit zu sortieren. Zuerst jene, die sich am leichtesten lösen ließen. Dann die mittelschweren und ganz am Ende die größten Brocken. Da ging’s mir schon besser und ich erzielte kleine Erfolge bei der Lösung der leichteren Probleme. Das baute mich auf. Die schwersten Probleme lösten sich dann merkwürdigerweise von selbst.
Auch als Deutschlehrer für die deutsche Botschaft versuchte ich mich. Irgendwann
fasste ich den Entschluss, mich auf Reiseleitungen für die Firmen Klingenstein, München und Windrose, Berlin zu konzentrieren und schaffte es, damit meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im September 1998 wurde Klingenstein von Studiosus übernommen. Samt Reiseleitern. So kam ich zu Studiosus, dem mutmaßlichen Traumarbeitgeber der Branche. 1999 trennte sich meine Freundin von mir und ging zurück nach Deutschland.
Da ich in Yangon ansässig war, entwickelte sich bald ein Vertrauensverhältnis zum örtlichen Partner der Firma. Dieser bot mir an, bei ihm einzusteigen. Allerdings zu für mich ungünstigen Konditionen. Ich schlug ihm vor, stattdessen zusammen ein neues Reisebüro zu eröffnen. Im März 2000 gründeten wir die Firma Bo-Tree Travel. Anfangs war es nur ein kleines Zubrot zu meinen Einkünften aus Reiseleitungen. Für mich sehr enttäuschend war die Tatsache, dass die deutschen Reiseveranstalter, deren Reisen ich leitete, nicht meine Kunden wurden. Stattdessen blieben sie ihren – zum Teil etwas windigen – lokalen Partnern treu. Verstehe ich bis heute nicht. Langsam entwickelte sich der Laden zu einem richtig guten Geschäft, von dem ich leben konnte. 2007 trennte ich mich von meinem Partner und übernahm die Firma Azure Sky Tours, die ich heute noch betreibe. Der Tourismus in Myanmar ist eine sehr unsichere Sache. Wie oft geschah es, dass wir dachten, jetzt sei der Durchbruch geschafft. Und dann funkte uns wieder die Politik dazwischen. Wie z. B. die sog. Safran-Revolution. Die mein Kollege Hans Bernd Zöllner als ‚weder Safran noch Revolution‘ einstufte. Half uns aber nichts – das Geschäft brach fast völlig zusammen! Doch am Ende habe ich immer irgendwie überlebt. 2015 heiratet ich meine Geschäftsführerin und wurde Buddhist. Seitdem begleitet mich meine Frau auf meinen Reisen durch die Welt. Mein 2012 mit viel Enthusiasmus begonnener Ausflug in die Passagier-Flussschifffahrt scheiterte katastrophal. 2019 verkaufte ich mein schönes Schiff und zog in die Berge. Nach Pyin Oo Lwin (früher Maymyo), nicht weit von Mandalay entfernt. Mal sehen, wie’s weiter geht …