Schwarzmarkt - für Einheimische und Anfänger

DDR-Propagandaplakat Devisenschmuggel (Bundesarchiv, Bild 183-C1130-0010-002)

Eine der verheerendsten Folgen des Militärputsches 1962 war der Versuch der Regierung Ne Win, den Sozialismus in Burma einzuführen. Der Weg dorthin führte stetig bergab und endete schließlich im Volksaufstand von 1988. Die Regierung des Landes war sich von Anfang an der Tatsache bewusst, dass die Einführung des sozialistischen Wirtschaftssystems unweigerlich die Entstehung eines Schwarzmarktes nach sich ziehen würde. Man glaubte jedoch offenbar, diese Entwicklung innerhalb gewisser Grenzen halten zu können und hatte sich dazu fachkundige Hilfe gesichert: Ratgeber aus der DDR! Diese hatten eine scheinbar narrensichere Methode der Devisenkontrolle entwickelt, mit dem unter anderem auch Touristen gezwungen wurden, zum äußerst ungünstigen offiziellen Kurs zu wechseln. Offenbar hatten sich die Burmesen nicht vor Ort in Ost-Berlin umgeschaut, denn sonst wäre ihnen aufgefallen, dass das System selbst in der so wohl geordneten und streng kontrollierten DDR nicht funktionierte, wo man es sich als West-Tourist mit geschmuggeltem MDN zum Schwarzmarktkurs von 1:4 recht gut gehen lassen konnte … 

 

Und so fanden auch in Burma gewitzte Leute (darunter sehr viele Inder!) schnell Wege, das System zu umgehen. Angesichts eines absurden Verhältnisses von offiziellem Kurs zum Schwarzmarktkurs wäre alles andere ein Wunder gewesen. Der offizielle Preis von ca. sechs Kyat für einen Dollar, der noch bis ins dritte Jahrtausend galt (insofern ist die burmesische Währung erstaunlich stabil – zumindest nach Lesart der Regierung), stand bereits seit langem in einer fast grotesken Relation zu seinem tatsächlichen Wert: Schon 1980 bekam man auf dem Schwarzmarkt viermal so viel für den Greenback wie in der Bank! Zwischenzeitlich stieg dessen Wert auf 1.500 Kyat! Im April 2012 gab die Zentralbank von Myanmar den Kurs frei und seitdem floatet die Währung – fast – wie jede andere. 

Zurück zum Schwarzmarkt: Diese Entwicklung war jedoch keineswegs auf den Devisenmarkt beschränkt, sondern betraf die gesamte Wirtschaft, denn selbst der Kleinhandel wurde schließlich verstaatlicht. Und es war keine Überraschung, dass die staatlichen Verkaufsstellen nicht in die Bresche springen konnte. So hatte der Schwarzmarkt bereits in den 70er-Jahren Dimensionen angenommen, die alle Vorstellungen sprengten. Es gab kaum etwas legal zu kaufen, alles – aber auch wirklich alles – wurde zum Schwarzmarkthandelsgut! Kinokarten (diese Unsitte existiert bis heute: Vor den Kinos werden noch immer Tickets von Schwarzhändlern angeboten), ja, selbst simpelste Utensilien waren nur auf dem Schwarzmarkt 

zu bekommen. Die Gehwege der Straßen der Innenstadt waren von Plastikplanen bedeckt, die den Fußgängern das Durchkommen schwer machten. Auf diesen Planen wurde alles Mögliche angeboten: Selbst geschnitzte Zitronenpressen aus Holz, Messer, Gabeln, Sardinen, Corned Beef, Taschenlampenbatterien – die Aufzählung würde Stunden in Anspruch nehmen! Einmal wurden mir sogar Grab-Inschriften von den Kriegsgräbern in Htaukkyant oder sonst wo angeboten, die böse Buben abmontiert hatten. Sie enthielten Divisionsabzeichen, die wirklich schön aussahen – unfassbar! Alles wurde geklaut, sogar die Gehwegplatten – konnte man doch viel besser im eigenen Garten gebrauchen! Und dann beschwerten sich natürlich alle darüber, dass die Regierung die Stadt so verkommen ließ. Die armen Schwarzmarkthändler wurden regelmäßig von der Polizei aufgemischt. Man lief ganz unschuldig durch das verregnete Yangon und plötzlich ein riesiger Aufruhr: Händler raffen eiligst ihre Planen zusammen und stieben in wilder Flucht davon. Die Polizei mit erhobenen Gummiknüppeln hinterher. Ein paar fassten sie dann vielleicht und beschlagnahmten deren Ware: Auch Polizistenfamilien können selbst gebastelte Zitronenpressen gebrauchen! Eine Stunde später waren sie alle wieder an ihrem Platz und taten so, als ob nichts geschehen wäre – einschließlich der Polizei!

Burmas Ersatzwährung

Der bequemste Weg zur Umgehung des offiziellen Umtauschkurses war für Touristen der Einkauf einer Flasche Johnny Walker Red Label und einer Stange Zigaretten der Marke Triple Five (555) im Duty-free-Bereich des Bangkoker Airports. Die konnte man auf dem Schwarzmarkt mit gutem Gewinn verkaufen. Andere Sorten (wie Black & White Whisky und Benson & Hedges Fluppen) brachten erheblich schlechtere Kurse. Bei bescheidener Lebensführung reichte der Ertrag aus dem Verkauf für die eine Woche, die man damals im Lande bleiben durfte. Die Johnny-Walker-Flasche ist bis heute ein quasi-amtliches Maß, in Myanmar müssen zig Millionen davon im Umlauf sein. Ob Benzin, Mandalay-Rum oder was auch immer wird in diesen Flaschen verkauft! Der Whisky und 555 waren sozusagen die dritte Währung des Landes neben Kyat und US Dollar. Jeder Burmese, der einen Funken Anstand im Leibe hatte, besaß eine Flasche Red Label, die er stolz in seinem Regal aufstellte. Es sei nur am Rande vermerkt, dass sie oft mit Tee gefüllt war … Am Verkauf von Whisky und Zigaretten bereicherten sich nicht nur Touristen und Schwarzhändler – nein, sogar die Piloten und Stewardessen der Burma Airways waren mit Begeisterung dabei! Einmal war auf dem Flug von Bangkok nach Rangun im gesamten Flieger kein Platz in der Gepäckablage mehr frei – alles voll mit Kontrabande! Zum Trost spazierte frech eine Kakerlake aus meiner Lunchbox…

Triple Five & Johnny Walker