Schwarzmarkt - Benzin
Heutzutage sind in Myanmar an jeder Ecke moderne Tankstellen zu finden. Das war jedoch nicht immer so! Bis ins erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts waren sie eine echte Rarität – es regierte der Schwarzmarkt! Lassen Sie mich berichten, wie bis vor gar nicht so langer Zeit der Benzinverkauf vonstatten ging. In manchen Gegenden des Landes herrschen immer noch solche Zustände und auch in Yangon werden aufmerksame Beobachter noch heute im Vorbeifahren gelegentlich am Straßenrand stehende Tischchen, Hocker oder einfach nur senkrecht aufgestellte Ziegelsteine bemerken, auf denen eine leere Whiskyflasche oder ein Kanister stehen. Was hat das denn nun schon wieder zu bedeuten? Wenn man genauer hinschaut, sieht man nicht weit davon einen Mann (seltener eine Frau) im Liegestuhl ruhen, der tut, als ob er den Herrgott einen guten Mann sein lässt und den Schlaf der Gerechten schläft. Weit gefehlt – es handelt sich um einen üblen Schwarzhändler! Denn wenn ein Autofahrer in seiner Nähe hält, erwacht der Schläfer aus seiner Lethargie und schlendert betont unauffällig zum Auto, wechselt ein paar kurze Worte mit dem Fahrer und begibt sich dann zu einem nur nachlässig getarnten Fass in der Nähe. Dort füllt er einen Kanister bzw. eine Johnny-Walker-Flasche (das Maß aller Dinge, s. u.!) ab und gießt den Inhalt durch einen Trichter in den Tank seines Kunden. Es versteht sich von selbst, dass er das Benzin vorher nach Kräften verdünnt hat – dies ist wohl nicht zuletzt der Grund dafür, dass so viele Autos an Kreuzungen liegen bleiben. …
Doch zurück zum Benzin: Was soll das alles? Aus welchen trüben Quellen stammt es? Und woher kommt denn überhaupt hierzulande das Benzin? Wird es im Lande produziert? Nein, bei weitem der größte Teil muss importiert werden – zu Weltmarktpreisen, versteht sich!! Der Benzinschwarzmarkt ist ein Überbleibsel der alten sozialistischen Planwirtschaft und da viele daran verdienen, hat er bis heute überlebt. Die Regierung gab zur Hochzeit des Schwarzmarktes an jeden Autobesitzer eine bestimmte Menge Benzin (früher recht viel, später nur noch wenig) zu subventionierten Preisen ab. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Regierung die Gallone auf dem internationalen Markt für ein Vielfaches dieses Preises einkaufte. Jeder Burmese ist aber fest davon überzeugt, dass der subventionierte Preis der wahre sei und die Riesenprofite aus diesem Geschäft in den Taschen korrupter Beamter und Militärs verschwinden. Die Wahrheit ist, dass wohl selbst in Saudi-Arabien, dem ölreichsten Land der Welt, die Gallone Benzin (etwa viereinhalb Liter) nicht für 20 US Cent zu erwerben ist – auf das metrische System umgerechnet bedeutet das einen Preis von 5 Cent pro Liter!
Jeder Autobesitzer durfte seine tägliche Ration bei seiner MPPE (Myanmar Petroleum Products Enterprise) Tankstelle abholen. Allerdings verfiel der Anspruch spätestens nach drei Tagen, man konnte also nicht 10 Tage warten und dann voll tanken! Wenn auch die Tankstelle als kleine Schikane immer recht weit vom Hause des Autobesitzers entfernt und die Wartezeiten beträchtlich waren, ließ sich wohl keiner sein Anrecht entgehen. Mithilfe eines Rationsbuches wurde penibel überwacht, dass auch ja keiner einen Tropfen zu viel bekam! Es gab früher nicht wenige, die davon lebten, ihre Ration auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, denn dessen Preis lag zuzeiten um ein Mehrfaches höher als der subventionierte Preis! Macht z. B. bei 60 Gallonen im Monat immerhin fast 40.000 Kyat – damit ließ sich schon etwas anfangen in einem Land, in dem ein Lehrer bis vor einiger Zeit
nicht mehr als fünftausend Kyat im Monat (nach dem alten System, die Gehälter wurden Ende der 90er-Jahre um das Zehnfache erhöht) verdient. Es steht jedoch zu befürchten, dass diese beliebte Einkommensquelle im Zuge des fortschreitenden Abbaus von Subventionen in nicht allzu ferner Zukunft völlig versiegen wird. Im Mai 2007 gab es einen Vorgeschmack: Die Preise für subventioniertes Benzin wurden glatt verzehnfacht. Aber 50 Cent pro Liter ist ja auch nicht schlecht. Und was war das Ergebnis dieses Versuches, ein längst überholtes System zu reformieren, zumindest teilweise? Die Safran-Revolution, siehe unten! Allerdings waren die daran Beteiligten nicht heilige Männer, wie man mancherorts lesen konnte, sondern ganz normale Sterbliche wie du und ich, die für ein paar Tage ins Kloster gegangen waren, um etwas für ihr Karma zu tun.