Myanmar - Märchenland der Weltpresse

Meldungen über Myanmar waren lange Zeit selten und etwas Besonderes! Vor dem Volksaufstand wurde es als ein skurriles, aber irgendwie liebenswertes Land dargestellt. Das änderte sich abrupt im August 1988. Journalisten durften in Myanmar bis vor Kurzem nicht einreisen. Selbst Günter GRASS wurde die Einreise verweigert, weil er in seinen Visaantrag als Beruf brav ‚writer‚ angegeben hatte. Daher waren die Auslandskorrespondenten auf einheimische Stringer angewiesen. Die waren von der journalistischen Sorgfaltspflicht in der Regel noch weiter entfernt als ihre Auftraggeber. Vor allem die Bangkok Post tat sich dabei  hervor. Aufgrund der geografischen Nähe zum Nachbarland schien sie glaubwürdiger als die westliche Presse. Da erfuhr der Leser zum Beispiel, dass die burmesische Grenzpolizei (oder war es die Armee?) angeblich Hunderte von HIV-positiven Mädchen beim Grenzübertritt erschossen hat. Die hätten als Prostituierte in Thailand gearbeitet und seien von den Thais abgeschoben wurden … Oder die Geschichte vom Bahndamm aus Bananenstämmen auf der Neubaustrecke nach Loikaw. Angeblich wurden die Dörfler gezwungen, die Bahnstrecke in Zwangsarbeit zu verrichten und unter starken Zeitdruck gesetzt. Aus Angst, nicht fertig zu werden, nahmen sie Bananenstauden für die Schwellen statt solider Baumstämmen. Das führte zu einem schweren Zugunglück mit über hundert Toten – so will es die Legende … Auch die diversen Befreiungsarmeen gehörten zu den Lieblingsthemen der Post. Als allerdings die ‚Armee Gottes‘ ein Krankenhaus in Thailand besetzte und Patienten und Ärzte als Geiseln nahmen, erschien die Sache plötzlich in einem ganz anderen Licht.  

Da durfte auch die deutsche Presse nicht abseits stehen, die sich sehr kreativ im Erfinden immer neuer Bezeichnungen wie z. B. ‚Land der tausend Qualen’* für Myanmar zeigte.   Und was man nicht alles erfährt! Ein Trishawfahrer flüsterte einer Journalistin ins Ohr: ‘Ich hasse das Militär!‘

Mag ja sein, aber ich persönlich habe festgestellt, dass Burmesen Meister darin sind, herauszufinden, was Ausländer hören wollen. Hat er sich davon vielleicht ein höheres Trinkgeld erhofft? Oder: Kurzwelle hören ist dort verboten! Frage: Was ist nicht verboten in Myanmar? Nur kümmert sich kein Mensch darum! Es soll ja angeblich auch verboten gewesen sein, Faxgeräte zu besitzen. Jedoch hatten alle Firmen eines – mindestens. Ein Mann soll im Gefängnis gelandet sein, weil er ein Faxgerät besaß. Das stimmt nicht. Er kam ins Gefängnis, weil er damit Propaganda gegen die Regierung machte. Und Spione überall! Ich habe noch keinen bemerkt, obwohl ich schon so lange hier leben. Vermutlich fehlt mir das Gespür dafür …

Man konnte absurde Behauptungen lesen, so z. B., dass Myanmar eine Atombombe bauen wollte. Ein Land, das nicht einmal eigenständig Autos bauen kann!** Oder man berichtete über den Präsidenten Than Shwe , den man kurz und bündig Shwe nannte. Man konnte auch erfahren, dass der ‚Herr Shwe‘ nur ein Ziel kennt: Um keinen Preis die Macht zu verlieren! Na, was ist auch schon von einem abergläubischen Diabetiker anderes zu erwarten? Der gern auch als ‚greiser General‘ bezeichnete Shwe enttäuschte vermutlich viele Journalisten zutiefst, als er 2010 im Alter von 77 Jahren seinen Rücktritt einreichte. Da fing ein Joe Biden erst an! Auch die neue Hauptstadt Naypyidaw  faszinierte viele Journalisten. 

** (https://www.spiegel.de/politik/ausland/kooperation-mit-nordkorea-ueberlaeufer-berichten-von-burmesischen-atomplaenen-a-640307.html). 

*** (https://www.spiegel.de/politik/ausland/militaerjunta-in-burma-die-brutalen-herrscher-von-naypidaw-a-508481.html)

'Zwangsarbeiter', Shwedagon-Stupa (Foto: Otto Esche, Im Land der weißen Elefanten)

Zwangsarbeit war lange Zeit ein Lieblingsthema der westlichen Presse. Ich erinnere mich an ein Foto zu einem Artikel über dieses Thema, auf dem eine Reihe von Frauen zu sehen war, welche die Plattform der Shwedagon-Pagode fegten. Leider habe ich ihn nicht aufgehoben, sodass ich nicht mehr weiß, wem diese Glanzleistung zuzuschreiben ist. Wie auch immer: Eine echte Sauerei, wozu die Militärregierung die Leute alles zwingt! Dagegen muss man doch vorgehen! Bisher offenbar leider vergeblich: Diese Form der Zwangsarbeit ist immer noch zu sehen, und zwar jeden Tag – ein Skandal! Oder liegt es vielleicht daran, dass die Leute glauben, dadurch religiöses Verdienst zu erwerben und es sogar eine lange Warteliste gibt, auf der man sich zur ‚Zwangsarbeit‘ eintragen kann? Aber was soll’s? Ist ja eh alles sooo weit weg, wen interessieren da schon die Details? Wohlgemerkt: Ich verurteile Zwangsarbeit natürlich von ganzem Herzen, aber der ‚gute‘ Zweck (Kritik an der Militärregierung) heiligt doch nicht alle Mittel!

 

Da liest man, dass ‚ganze Dörfer, darunter uralt erscheinende Frauen und Kinder‘ ‚Zwangsarbeit‘ im Straßenbau leisten müssten. Sie werden gezwungen, ‚riesige‘ Metalltonnen mit Teer zu tragen. Ich habe – offen gesagt – immer nur ganz normale Fässer gesehen. Macht ja auch wenig Sinn, drei Meter hohe Fässer zu verwenden. Zu jener Zeit, als Zwangsarbeit in Myanmar in der westlichen Presse einen wichtigen Stellenwert einnahm, kam ich mit einer Reisegruppe an einer Straßenbaustelle vorbei. Die meisten Straßen werden noch von Hand gebaut: Junge Frauen schleppen den Schotter, Männer kochen und gießen den Teer auf den Splitt und bedienen die spärlichen Maschinen. Ein Aufschrei geht durch den Bus: „Zwangsarbeit! Kinderarbeit!“. Ich lasse anhalten und wir steigen aus: Kameras klicken, aufgeregtes Geschnatter! Ich spreche eine junge Frau an und frage sie, wie viel sie am Tag verdient und wie alt sie sei. Sie nennt einen Betrag, der etwa einem Dollar entspricht und ihr Alter sei zwanzig Jahre – was ich auf Anhieb glaube. Als ich das meinen Kunden erzähle, unterstellen sie mir, dass ich sie anlüge, es sei doch ganz offensichtlich, was hier passiere. Erst als mein lokaler Reiseleiter meine Angaben bestätigt, glaubt man mir. Manch einer gibt dann aber trotzdem nicht auf – der Lohn sei so lächerlich, das sei doch dasselbe wie Zwangsarbeit! Merkwürdigerweise kommt kein Reisender auf die Idee, dass die Frauen, die man etwas später auf den Feldern (oftmals für weniger Geld!) schuften sieht und die man so gern bei der Arbeit fotografiert, Zwangsarbeit leisten. Muss wohl an der Arbeit liegen, Feldarbeit ist einfach viel fotogener!

Verglichen mit Emma Larkin jedoch, sind alle anderen Journalisten Waisenknaben!  

Fröhliche Frauen beim Straßenbau in Pyin Oo Lwin. Tageslohn: 11.000 Kyat = 7 Euro!