Burmesische Pilgerfahrten

Sie sind für buddhistische Burmesen ein wichtiger Teil ihrer Glaubensausübung. Meine Kollegin MA THANEGI hat eine solche Pilgerfahrt in ihrem Buch Pilgerreise in Myanmar (sehr lesenswert!) beschrieben. Der englische Originaltitel lautete übrigens The native tourist in search of turtle eggs’ (‚Der einheimische Tourist auf der Suche nach Schildkröteneiern’). Was haben nun Schildkröteneier mit Pilgerfahrten zu tun? Es gibt im Lande sehr viele Wallfahrtsorte. Neben den besonders wichtigen wie Shwedagon in Yangon, Goldener Felsen bei Kyaikhto, Mahamuni in Mandalay, Bagan und Minbu (Fußabdruck Buddhas) sind auch zahlreiche andere Pilgerstätten das Ziel frommer Besucher. In Bagan trifft man vor allem am Wochenende oft Einheimische, die mit Pick-up-Trucks von Tempel zu Stupa und Tempel fahren. Dort verrichten sie rasch ihre Gebete und dann geht’s weiter zum Nächsten. Viel hilft viel, ist hier die Devise! Es gibt aber auch mehrtägige Rundfahrten per Pilgerbus, auf denen die wichtigsten Wallfahrtsorte angefahren werden. Ein bedeutendes Element der Pilgerfahrt ist der Einkauf an jeder Station: Souvenirs, Lebensmittel, Textilien usw. So wird ein Pilger, der zum Goldenen Felsen fährt, vermutlich ein Bambusgewehr oder Volksmedizin mitbringen. Das Angenehme wird also mit dem Nützlichen verbunden. Wobei sich fragt, was wichtiger ist … Daraus wurde das geflügelte Wort hpaja: le: hpu:, lei’  u. le: tu: = ‚Pilgerfahrt machen und nach Schildkröteneiern graben’.   

Man darf sich eine burmesische Pilgerfahrt nicht vorstellen wie eine Wallfahrt im christlichen Sinne. Letztere sind – so weit ich das beurteilen kann – doch eher seltene Angelegenheiten. Eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela oder Lourdes wird ein deutscher Christ nicht oft in seinem Leben unternehmen. Selbst nicht eine solche nach Kevelaer oder Altötting. Burmesen hingegen begeben sich oft auf Pilgerfahrten – nicht zuletzt aus o. g. Gründen. Während in der christlichen Pilgerfahrt Buße und Gelübde eine wichtige Rolle spielen, scheint mir das in Myanmar eher nebensächlich zu sein. Wer schon einmal burmesischen Pilgern mit Ghettoblastern auf dem Pilgerweg zum Goldenen Felsen begegnet ist, weiß, was ich meine. Obwohl ja der Wallfahrtsgedanke irgendwie erkenntlich ist – immerhin braucht ein junger Mensch vier bis fünf Stunden hinauf. Was soll man dagegen von jenen Pilgern halten, die mit einem Truck zum Parkplatz am Goldenen Felsen hinauffahren? Von wo es noch 10 Minuten bis zum Heiligtum sind? Oder gar von denen, die die neue Seilbahn benutzen? Für viele junge Pärchen ist eine Pilgerfahrt eine gute Gelegenheit, endlich einmal der Aufsicht der Eltern zu entfliehen und mit der/dem Geliebten allein zu sein.

Die absolute Krönung buddhistischer Pilgerfahrten ist die nach Indien und Nepal. Die Pilger wandeln dort auf den Spuren des Erleuchteten und besuchen die vier heiligen Stätten (Lumbhini–Geburt, Bodhagaya–Erleuchtung, Sarnath–erste Predigt und Kusinara–Tod). Dazu noch ein paar andere, die am Wege liegen. Siehe hierzu auch meinen Bericht zu unserer persönlichen Pilgerfahrt. An den heiligen Stätten gibt es burmesische Mönche und  Klöster, in denen die Pilger gratis (bzw. gegen Entrichtung einer Spende) unterkommen können. Auch alle anderen buddhistischen Länder haben dort Klöster errichtet, in denen die Pilger preiswert unterkommen können. 

Die meisten burmesischen Gläubigen buchen eine preiswerte 10-Tage-Package-Pilgerfahrt (Preis ca. 700 US$ incl. Flugkosten). Unschlagbar billig! Sie werden im Eilverfahren mit billigen, unbequemen Pilgerbussen von einem Ort zum anderen gekarrt. Unterkunft finden sie in Klöstern oder in Billigabsteigen. Je mehr Plätze besucht werden, desto besser. Dort wird dann kurz gebetet (= Verdienst erworben), bevor es wieder in den Bus geht und die Reise fortgesetzt wird. Dem nächsten Verdienst entgegen! Einige Pilgerfahrten enthalten neben den heiligen Orten noch einen Abstecher nach Delhi und Agra. Das kostet natürlich mehr, aber wenn man schon mal in Indien ist …  Vor Antritt unserer Pilgerfahrt hatten wir auch eine solche erwogen. Als ich das Programm studierte, sah ich, dass darin u. a. eine 18-stündige Non-Stop-Busfahrt von Delhi nach Benares enthalten war. Daraufhin entschieden wir uns für eine Rundreise im Mietwagen. Dasselbe tun auch wohlhabende Gläubige aus Myanmar. Die sieht man übrigens oft in Begleitung eines Mönches, den sie zu ihrer Pilgerfahrt eingeladen haben. Noch mehr Verdienst! Die fahren dann wie wir mit einem Mietwagen von Pilgerstätte zu Pilgerstätte und wohnen in Hotels.

Der Goldene Felsen (Kyaikhtiyo, Mon State) darf auf keiner Pilgerfahrt fehlen.