Ma.ja.bu: und ma.shi.bu:

ja.
shi.

                                                                                      In the East, everything matters and nothing goes.

                                                                                     In the West, nothing matters and everything goes.

So beobachtete einst der US-amerikanische Schriftsteller Philip Roth (1933-2018). Das mag wegen der stürmischen Entwicklung in vielen asiatischen Ländern (vor allem in Ostasien) heute nicht mehr gültig sein. Aber in Myanmar trifft es hundertprozentig zu!

Burmesen sind Meister darin, einem zu erklären, warum etwas NICHT geht oder unmöglich ist. Tausend gute Gründe sozusagen! Was ich aber gar nicht wissen will! Sondern, wie es geht. Das bezieht sich nicht beileibe nicht nur auf komplizierte Dinge! Ich will einen Wasserschlauch in meinem Garten auswechseln: Das geht gaaaar nicht! Unmöglich! Sagt mein Gärtner, ein Genie vor dem Herrn! Und es folgen wortreiche Erklärungen. Wenn ich es dann einfach tue, ist das Staunen groß!

In jeder Sprache gibt es Wörter, die Ausländer zuerst lernen. Im Deutschen soll es angeblich das Wort ‚Scheiße‘ in all seinen Variationen sein – so habe ich mir sagen lassen. In Myanmar wäre es wohl Mingalaba (eigtl. Bedeutung ‚günstige Gelegenheit‘ oder ‚Glück‘). Das Wort wird meist benutzt im Sinne von ‚Willkommen‘ oder auch ‚Guten Tag‘.

Davon abgesehen sind für mich die Wörter ma. ja. bu: und ma. shi. bu: diejenigen, die man am meisten hören wird. Es sind die Verneinungen der Wörter shi. und  ja. (siehe Foto). Die Vorsilbe ma und die Nachsilbe bu: zeigen die Negation an. Sie werden im Zusammenhang von ‚das darf man nicht‘ und ‚das geht nicht‘ (ma. ja. bu:) verwendet bzw. ‚haben wir nicht‘ oder ‚gibt es nicht‘ (ma. shi. bu:). Auf den Fotos findet sich ein Ausschnitt aus dem ‚Myanmar-English Dictionary‘, herausgegeben von der burmesischen Sprachkommission. Wie man sieht, haben diese Wörter viele Bedeutungen.

Burmesen finden nach meiner Beobachtung ein diebisches Vergnügen darin, Ausländern zu erklären, dass etwas nicht vorrätig ist. Oder nicht geht. Oder verboten ist. Den eigenen Landsleuten ergeht es vermutlich nicht viel anders. Geht man in einen Laden und erkundigt sich nach einem Artikel, so wird die Antwort meist ‚ma. shi. bu: ‘ sein. Beispiel: Ich frage einen Mitarbeiter des Pro 1 Baumarktes in Yangon, ob es hier Holzöl gibt: ‚Ma. shi. bu:‘! Dabei steht es direkt vor seiner Nase im Regal. Stattdessen empfiehlt er mir, es im zehn Meilen entfernten Bauartikel-Großmarkt Hsemainkoun: zu versuchen. Als ich ihm den Artikel vor die Nase halte, lächelt er blöde. Im Kaufhaus dieselbe Leier. Wenn die Verkäuferinnen einen Ausländer sehen, heißt es: ‚Achtung Foreigner, volle Deckung!‘ und sie verstecken sich. Hat man sie dann gestellt, kann man sich darauf verlassen, dass die Antwort auf die Frage, nach welchem Artikel auch immer ‚ Ma. shi. bu:, ma. shi. bu:!‘ lautet. Aber immer mit einem Lächeln! Gern aber gibt man dem Herrn Ausländer einen Hinweis, wo er vielleicht erfolgreich bei seiner Suche sein könnte. Nur Dummköpfe folgen einem solchen Tipp. Ganz anders dagegen die im Lande lebenden Inder! Zum einen versuchen sie zu verstehen, was der Kunde wünscht, und es ihm zu verkaufen. Wenn es nicht vorrätig ist, schlägt man einen anderen Artikel vor. Auch wenn der oft in keinem Zusammenhang mit dem Gewünschten steht. Aber man bemüht sich.   

Noch häufiger hört man ma. ja. bu:. Man kann davon ausgehen, dass in Myanmar so ziemlich alles verboten ist – wenn man fragt. Ich wohnte lange im Stadtteil Myauk Dagon und fuhr von meinem Haus jeden Tag in mein Büro in der Downtown. Einfach so! Wäre ich stattdessen zur Polizei gegangen und hätte gefragt, ob ich das überhaupt darf, dann wäre es vermutlich kompliziert geworden. Möglicherweise hätte die Angelegenheit in Naypyidaw vom Ministerium geklärt werden müssen. Oder ich wäre mit einer Spende für die Teekasse davongekommen. Mit anderen Worten: Wenn man etwas tun möchte, nicht lange fragen! Falls es tatsächlich verboten ist, wird man es eher früher als später erfahren.

Mein Freund Roman Teufel hat mit Hilfe meiner Firma einen sehr schönen Film (meines Erachtens einen der besten überhaupt!) über das Land gedreht: Myanmar – Reise in eine verlorene Zeit! Absolut sehenswert. Im Vorfeld fragte er mich, wie es denn mit Drehgenehmigungen aussähe. Ich riet ihm, nicht lange zu fackeln und einfach draufloszufilmen. Was er auch tat. 

Er kam mit seinem kleinen Team von vier Leuten und nach zwei Wochen hatten wir alles im Kasten. Hätte er eine Genehmigung beantragt, hätte das sehr viel Zeit in Anspruch genommen und auch erhebliche Kosten verursacht. Bei einer anderen Gelegenheit war ein Team eines deutschen Fernsehsenders unser Kunde. Und die lehnten es ab, meinem Ratschlag zu folgen. Das Ergebnis: Ein Horrortrip durch die burmesische Bürokratie mit erheblichen Kosten. Aber Ordnung muss sein! Da sind die deutschen Bürokraten nicht anders als ihre burmesischen Kollegen …

Ich glaube, es gibt zwei Gründe für dieses Verhalten: Zum einen die Angst vor dem Gesichtsverlust (anade), zum anderen der burmesische Hang zum Delegieren (s.a.a.O.) – auf keinen Fall Verantwortung übernehmen! Wie es das Motto der burmesischen Bürokratie so schön zusammenfasst:

Ma lou‘, ma shou‘, ma pyo’ – Don’t work, don’t get involved, don‘t get fired!