Politik
Bei diesem Thema beschränke ich mich auf die Geschichte Myanmars seit der Unabhängigkeit 1948. Wie aus der Fotomontage ersichtlich, sind es vier Personen, die während dieser Zeit eine dominierende Rolle gespielt haben.
General Aung San (1915-1947) wird oft als der ‚Befreier‘ Burmas bezeichnet. Und das zu Recht, denn er war es, der die Briten als Anführer der Thirty Comrades bekämpfte. Nach dem Krieg übernahm er die Führung der Anti-Fascist People’s Freedom League (AFPFL) und erreichte durch geschickte Verhandlungen in London die Unabhängigkeit des Landes. Leider war es ihm nicht vergönnt, die Früchte seiner Bemühungen zu ernten, denn er wurde ein halbes Jahr vor deren Ausrufung auf Anstiftung eines politischen Rivalen (Galon U Saw) ermordet (Martyr’s Day, 19. Juli). Sein Bild schmückt noch heute die Wohnung vieler Burmesen und ist nach einer längeren Pause wieder auf den Geldscheinen des Landes zu sehen. Aung San war verheiratet mit Daw Khin Kyi und hatte vier Kinder, von denen eines im Kindesalter verstarb. Zwei leben noch heute, darunter seine einzige Tochter Aung San Suu Kyi (siehe unten). Er genoss nicht nur bei seinem eigenen Bamar-Volk, sondern auch bei den Ethnien des Landes großes Ansehen. Nicht zuletzt dieses ermöglichte ihm, 1947 das Abkommen von Panglong zu schließen, mit dem die Union von Burma begründet wurde. Sein Tod war eine Tragödie für das Land. Viele Burmesen glauben noch heute, dass die Geschichte des Landes anders verlaufen wäre, wenn er nicht im Alter von 32 Jahren gestorben wäre.
U Nu (1907-1995) war ein tiefgläubiger Buddhist und einer der Thirty Comrades, der Mitstreiter Aung Sans. Nach dessen Ermordung trat er an die Spitze der AFPFL-Partei. 1948 wurde er der erste Premierminister des Landes. Seine Amtszeit war geprägt von Bürgerkriegen. Es gab Zeiten, in denen die Regierung nicht viel mehr als die Hauptstadt Rangoon kontrollierte. Aber dank des tüchtigen Oberbefehlshabers der Streitkräfte, General Ne Win, gelang es, die Rebellen zurückzudrängen. Aufgrund innenpolitischer Probleme wurde er 1958 von Ne Win zum Rücktritt genötigt, der bis 1960 das sog. Caretaker Government leitete. Anschließend übernahm U Nu wieder das Steuer. Doch auch seine zweite Amtszeit war von Problemen geprägt. Durch seine Bemühungen, den Buddhismus zur Staatsreligion zu erklären, machte er sich viele Feinde. 1962 putschte Ne Win und U Nu verschwand in der Versenkung. 1988 gelangte er im Gefolge des Volksaufstandes noch einmal in die Schlagzeilen. Aber seine Zeit war vorbei.
General Ne Win (1911-2002) war ebenfalls einer der Thirty Comrades. Nach der Unabhängigkeit übernahm er den Oberbefehl über die Armee und schaffte es, die Macht der Regierung über das Land zum großen Teil wieder aufzurichten. Von 1958 bis 1960 stand er dem Caretaker Government vor. 1962 übernahm er mit einem Militärputsch die Herrschaft über Burma, die er bis 1988 faktisch innehatte. Auch nach dem Volksaufstand in diesem Jahr zog er noch lange die Fäden hinter den Kulissen. Wie ich hörte, war Ne Win zu Beginn seiner zweiten Amtszeit recht populär beim Volk. Als er allerdings den Burmesischen Weg zum Sozialismus beschritt, verlor er stark an Popularität, denn dadurch wurde die Wirtschaft des Landes ruiniert. Er starb 2002 im Hausarrest in Yangon. Unter meinen Freunden und Bekannten wird seine Rolle sehr unterschiedlich betrachtet. Einige halten ihn für den leibhaftigen Gottseibeiuns, andere wiederum haben eine gute Meinung von ihm. Wieder andere meinen, dass er ehrenhafte Absichten gehabt habe, aber die ,Ausführung schlecht gewesen sei. Generell überwiegt die negative Einschätzung. Die Wahrheit wird wohl wie so oft in der Mitte liegen. Sehr interessant seine von Robert Taylor geschriebene Biographie.
Von 1988 bis 2010 wurde das Land von einer Militärjunta unter dem Befehl von General Than Shwe regiert. Seine Regierung ignorierte das Ergebnis der Wahlen von 1988 (s. u.) und ordnete an, dass vor der nächsten Abstimmung zuerst eine neue Verfassung ausgearbeitet werden müsse. 2005 verlegte er die Hauptstadt nach Naypyidaw. 2008 war die Verfassung fertig und 2010 fanden die ersten (semi-demokratischen) Wahlen statt. Der erste Präsident war der Ex-Militär Thein Sein, der eine vorsichtige Öffnungspolitik betrieb.
Aung San Suu Kyi (* 1945) ist die einzige Tochter des 1947 ermordeten Unabhängigkeitshelden Aung San (s. o.). Sie verbrachte etwa die Hälfte ihres Lebens außerhalb ihres Heimatlandes. Ihre Mutter war burmesische Botschafterin in Indien. Nach dem Highschool-Abschluss in Delhi ging sie 1964 nach England, wo sie u. a. Philosophie studierte und 1967 mit dem Bachelor abschloss. 1972 heiratete sie den englischen Tibetologen Michael Aris (1946-1999), mit dem sie zwei Söhne hat. 1984 gab sie ein Buch über ihren Vater heraus. 1988 erkrankte ihre in Rangoon lebende Mutter schwer und sie flog dorthin, um sie zu pflegen. Dadurch wurde sie in die Wirren des Volksaufstandes hineingezogen und engagierte sich im Kampf gegen die Militärjunta. Aus den Wahlen 1990 ging ihre Partei, die National League for Democracy, als klare Siegerin hervor. Die Militärjunta weigerte sich jedoch, das Wahlergebnis anzuerkennen und sie verbrachte lange Jahre im Hausarrest. 1991 erhielt sie den Friedensnobelpreis. 2000 verpasste ich die Gelegenheit zu einem persönlichen Treffen mit ihr: Der deutsche Botschafter, Herr Dr. Haas. hatte die Dame und etliche deutsche Geschäftsleute (darunter mich) im Lande zu einem Lunch eingeladen. Da ich Repressionen durch die Militärregierung befürchtete, sagte ich die Teilnahme ab. Wie ich später erfuhr, war das keine schlechte Idee, denn meine Landsleute wurden von der Politikerin nur beschimpft und beschuldigt, mit dem Militärregime zu kollaborieren. 2010 fanden die ersten semi-demokratischen Wahlen in Myanmar statt, die von ihrer Partei boykottiert wurden. 2012 wurde sie als Nachrückerin in das Parlament gewählt. Aus den Wahlen 2015 ging ihre Partei als klare Siegerin hervor. Da sie mit einem Ausländer verheiratet war und ihre Kinder die britische Staatsbürgerschaft haben, konnte sie nicht Präsidentin werden. Stattdessen nimmt sie die Position des State Counselor ein, die sie heute noch bekleidet. Die frühere ‚Demokratie-Ikone‘ wird seit ihrem Amtsantritt zunehmend kritischer betrachtet, weil sie sich angeblich nicht ausreichend von der Militärführung distanziert. Ja, diese sogar am Internationalen Gerichtshof in Den Haag verteidige. Immerhin kann sie sich betr. der Vertreibung der sog. Rohingyas aus Arakan/Rakhine der hundertprozentigen Unterstützung aller Burmesen sicher sein. Bei den Wahlen 2020 führte sie ihre Partei wieder zu einem überzeugenden Sieg und ist nach wie vor als State Counselor tätig.