Burma - Land und Leute
Auch Birma oder Myanmar genannt. Mit mehr als 676.000 qkm ist Myanmar (wie es offiziell seit 1989 heißt) fast doppelt so groß wie Deutschland. Es erstreckt sich zwischen dem 28. und 10. Grad nördlicher Breite und dem 92. bis zum 100. Grad östlicher Länge und grenzt im Westen an Indien und Bangladesh, im Norden an China und im Osten an Laos und Thailand. Es verfügt über eine große landschaftliche Vielfalt, die von Gletschern des Himalaya über Trockensavannen in der zentralen Ebene bis hin zu tropischen Dschungeln im Süden reicht. Das Land hat ca. 54 Mio. Einwohner, davon zwei Drittel ethnische Bamar, die ihm auch seinen Namen gegeben haben. Der Rest setzt sich aus mehr als 120 Ethnien zusammen, manche recht zahlreich (Shan = 9 % der Bevölkerung), andere umfassen nur wenige Tausend Köpfe. Etwa neun von zehn Einwohnern sind Buddhisten, Animismus spielt eine große Rolle, desgleichen die Astrologie. Der Rest sind Christen, Moslems und Hindus. Und abergläubisch sind sie fast alle. Selbst Ausländer sind nicht gefeit! Die größte Stadt des Landes ist die frühere Hauptstadt Yangon mit fast 6 Mio. Einwohnern, d. h. etwa doppelt so viele wie Berlin. Die Hauptstadt Naypyidaw wurde erst 2005 begründet und hat nicht einmal 100.000 Einwohner. Die Geschichte des Landes reicht bis in die vorchristliche Zeit zurück. Großreiche (das bekannteste unter ihnen war das Bagan-Reich (1144-1287) und Kleinstaaterei wechselten sich ab. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Burma britische Kolonie und die Auswirkungen jener Periode (Teile und herrsche!) sind bis heute spürbar. Seit der Unabhängigkeit (1948) gibt es bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen, die bis in die Gegenwart andauern. Die demokratisch gewählte Regierung von U Nu wurde 1962 durch einen Militärputsch unter der Führung von General Ne Win hinweggefegt. Er zog eine fast fünfzig Jahre währende Militärdiktatur nach sich, in der sich das Land weitgehend von der Welt abkapselte. 1988 gab es einen Volksaufstand in Burma, der vom Militär niedergeschlagen wurde. Eine andere Militärclique ergriff die Macht und benannte als erste Amtshandlung das Land um, indem es ihm seinen alten Namen zurückgab. Freie Wahlen wurden versprochen und 1990 auch durchgeführt. Deren Ergebnis war eine Katastrophe für die Partei des Militärs. Dieses behielt daher die Macht in seinen Händen, versprach aber immerhin einen behutsamen Übergang zur Demokratie. Allerdings erst, nachdem eine neue Verfassung ausgearbeitet sei. Diese wurde 2008 in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit gebilligt. Im Jahre 2010 gab es die ersten demokratischen Wahlen seit 1990, die von der führenden Oppositionspartei (NLD) noch boykottiert wurde. Seit 2015 ist diese Partei unter der Führung der früheren ‚Demokratie-Ikone‘ Aung San Suu Kyi an der Macht, wenn auch durch die auf das Militär zugeschnittene Verfassung erheblich eingeschränkt.
Seit meinem ersten Besuch in Myanmar (1977) entwickelte ich ein starkes Interesse für das Land. Ich war völlig fasziniert und hatte keinen größeren Wunsch, als eines Tages dort zu leben. 1996 ging er in Erfüllung. Bis in die 90er-Jahre hinein war es sehr schwierig, an aktuelle Informationen über Burma zu gelangen. In der Weltpresse wurde es als eine Art skurriles Märchenland betrachtet, jedoch durchaus wohlwollend. Das änderte sich nach dem Volksaufstand von 1988. Das Land bzw. seine Regierung wurde plötzlich zum Paria der internationalen Gemeinschaft. Boykotte und Sanktionen der westlichen Welt führten dazu, dass sich Myanmar mehr und mehr an seinen kommunistischen Nachbarn China anlehnte. Daraus resultierte jedoch eine zunehmende Abhängigkeit von ihm, der die Regierung Myanmars zunehmend besorgte. Meiner Meinung nach war die Demokratisierung des Landes ein Versuch, sich an andere Mächte anzunähern, um ein Gegengewicht zu China zu schaffen. Wie auch immer, plötzlich war die internationale Presse voll von Artikeln über Myanmar. Leider stets negativ, wobei oftmals die journalistische Sorgfalt auf der Strecke blieb: Zwangsarbeit, Kindersoldaten, gravierende Menschenrechtsverletzungen, Atommachtsgelüste, Achse des Bösen usw.. Aufgrund meiner Erfahrungen in Myanmar frage ich mich, ob dies ein Einzelfall ist. Warum sollen z. B. Berichte aus Paraguay oder Mosambik einen höheren Wahrheitsgehalt aufweisen als die aus Myanmar, wo ich zufällig ganz gut Bescheid weiß?
Nicht viel besser sieht es oftmals auf dem Feld der Literatur aus. Viele Autoren betrachten die Burmesen meiner Ansicht nach nicht als gleichberechtigte, erwachsene Menschen. Sondern als schutzbedürftige Kinder, die von einem brutalen Militärregime terrorisiert werden bzw. wurden. Daher das Engagement, mit der sich viele von ihnen über die Militärregierung und die Zustände im Lande ereifern. Unter diesen Autoren ragt Emma LARKIN heraus, aber auch andere stehen ihr nicht viel nach. Meines Erachtens liegt dem eine Infantilisierung der Burmesen zugrunde, die vermeintlich nicht in der Lage sind, ihre Interessen selbst zu verteidigen. Sondern unbedingt der Hilfe (oft gut bezahlter) Außenstehender bedürfen. Da gibt es z. B. das Heftchen Do’s and dont’s in Myanmar. Darin wird allen Ernstes darauf hingewiesen, dass man Erwachsenen (und natürlich auch Kindern) nicht über den Kopf streichen darf! Wer käme auf eine solche Idee? Doch nur ein Mensch, der sein Gegenüber nicht für voll nimmt. Für wie dumm hält man die Touristen, für die das geschrieben wurde? Warum nicht darauf hinweisen, dass Männer nicht mit offenem Hosenstall durch die Straßen laufen sollten?
Obwohl es der Regierung gelungen ist, viele interne Konflikte zu lösen, gibt es auch heute noch Auseinandersetzungen zwischen dem burmesischen Militär und diversen ‚Befreiungsbewegungen‘. Diese Instabilität hat meines Erachtens einen ganz einfachen Grund. Mir scheint manchmal, dass hierzulande jeder, dem irgendetwas nicht passt, eine ‚Befreiungsfront‘ gründet (siehe Karte: KNDO = Karen National Defense Organisation, PVO = People’s Volunteer Organsiation, KMT = Kuomintang Truppen (Armee von Tschiang Kai Schek). Er besorgt sich Waffen, rekrutiert ein paar Unzufriedene aus seiner ethnischen Gruppe und startet seinen kleinen Privatkrieg. Es gab Zeiten, da operierten mehr als sechzig (!) solcher Bewegungen gleichzeitig im Lande. Nicht selten bejubelt (und unterstützt!) von Gutmenschen aus dem Westen! Denn was kann schon dagegen sprechen, wenn ein Volk um seine Freiheit kämpft? Da drückt man auch gern ein Auge zu, wenn die Finanzierung durch Drogenhandel geschieht. Was eher die Regel als die Ausnahme war/ist. Davon abgesehen ist Myanmar ein unglaublich schönes Land und seine Bewohner sind die nettesten Menschen, die mir in meinem Leben begegnet sind.
Auch nachdem ich fünfundzwanzig Jahre hier lebe, hat sich an meiner positiven Einschätzung nichts geändert. Fazit: Unbedingt hinfahren!
Ich habe meine Erlebnisse in Myanmar und meine Einschätzungen über das Land in dem (unveröffentlichten) Buch ‚Vierzig Jahre in Burma‚ festgehalten. Auszüge daraus finden sich auf dieser Website.